MERKUR

Heft 01 / Januar 2011

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Ingo Way

Erst kommt die Moral, dann das Fressen?! . Jonathan Safran Foer will uns das Tiereessen verleiden

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Zitate:

Auch wenn Foer sich das Recht auf Inkonsequenz sympathischerweise einräumt, möchte man ihm einige Fragen stellen. Was isst er noch? Ernährt er sich vegetarisch oder vegan? (Nach seinen Ausführungen zur Eier- und Milchproduktion müsste man Letzteres annehmen.) Was gibt er seinen Kindern zu essen? Was seinem Hund, dessen intelligentes Verhalten ihn zur Reflexion über die Rechte von Tieren anregte? Er betont, dass er der Fleischindustrie überhaupt kein Geld mehr geben möchte. Doch füttert Foer seinen Hund etwa mit Fleisch aus artgerechter Haltung − die ihm immer noch zu grausam ist, um das Fleisch selbst zu konsumieren? Und ist es nicht viel unmoralischer, Fleisch an seinen Hund zu verfüttern, als es selbst zu essen oder es seinen Kindern zu geben? Dem Autor, der einfache Antworten klugerweise vermeidet, kann man jedenfalls nicht vorwerfen, dass sein Buch keine Fragen aufwürfe. Nach der Lektüre bleibt man gleichwohl ratlos zurück. Vegetarismus oder gar Veganismus als Massenbewegung zu propagieren ist müßig, da die Menschen nun einmal Fleisch nicht nur essen wollen, sondern zumindest bis zu einem gewissen Grad auch darauf angewiesen sind. Zu postulieren, wie es Theologen und Ethiker gerne tun, Fleisch zu essen sei grundsätzlich vertretbar, solange es nicht aus Massentierhaltung stamme, ist dagegen wohlfeil, da die Massentierhaltung die heute vorherrschende Form der Fleischproduktion ist. Um für sechs Milliarden Menschen Fleisch vom glücklichen Weidelamm bereitzustellen, gibt es bei weitem nicht genug Weideland. Also auf Tierethik ganz verzichten? Aus dem Dilemma scheint kein Weg herauszuführen. Solange alle Menschen mehrmals in der Woche Fleisch essen wollen, wird es Massentierhaltung geben müssen, denn nur diese ist in der Lage, die benötigten Mengen bereitzustellen. In Westeuropa und Nordamerika gibt es indes genügend Spielraum nach unten. Der Fleischkonsum hat sich in der Bundesrepublik in den vergangenen vierzig Jahren verdoppelt, und man wird kaum behaupten können, dass hierzulande in den Siebzigern Mangelernährung geherrscht hätte. Für Verzicht zu werben ist legitim; solange dieser aber nicht freiwillig erfolgt und man nicht zu staatlichen Verboten greifen möchte, wird sich auch an der Tierhaltung nichts ändern. Einen Ausweg aus diesem Dilemma scheint allein die Gentechnik zu bieten, etwa durch Züchtung von Tierrassen ohne Bewusstsein und ohne Schmerzempfinden. Oder aber − und das ist das realistischere Szenario, denn daran wird längst gearbeitet − durch künstlich hergestellte tierische Proteine: Gewächshausfleisch aus Stammzellen. Dass Letzteres noch nicht marktreif ist, liegt nicht allein am ungelösten Geschmacksproblem (Rindfleisch, das nicht von einer Kuh stammt, die Gras gefressen hat, schmeckt nun einmal nach nichts), sondern vor allem daran, dass die Verbraucher angesichts solcher "Frankenstein-Szenarien" auf einmal der Ekel packt − ein Ekel, den sie bei der Vorstellung zusammengepferchter und zerhackter Lebewesen seltsamerweise nicht spüren.

MERKUR Jahrgang 65, Heft 740, Heft 01, Januar 2011
broschiert
ISSN: 0026-0096

Autoren in dieser Ausgabe

Yoram Hazony, Paul Michael Lützeler, Henning Ritter, Friedrich Pohlmann, Wolfgang Ullrich, Christian Demand, Ingo Way, Gerd Roellecke, Lars Bullmann, Rolf Breuer,


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