MERKUR

Heft 01 / Januar 2011

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Lars Bullmann

Die Tücke der Demokratie . Zum Politischen des Lachens

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Zitate:

Also spricht Nietzsche in der Fröhlichen Wissenschaft : "Es giebt immer etwas, über das absolut nicht gelacht werden darf" − er legt diesen Satz den theologisch imprägnierten "Lehrern vom Zwecke des Daseins" in den Mund. Doch auch wenn er ihn damit nicht unmittelbar auf das Politische bezieht, erweist er sich in dieser Hinsicht als lehrreich. Denn gerade eine Politik, die bestrebt ist, ihre kontingenten Anfänge latent zu halten oder die von ihnen nichts wissen will, dürfte in jenem Satz eines ihrer Betriebsgeheimnisse besitzen. Denn es gibt ohne Zweifel eine Fortdauer des theologischen Dispositivs in jeder auf einen letzten Grund setzenden Politik. Man könnte auch so sagen: Man wird Gott nicht los, solange man an die Grammatik des Staates glaubt. Eine konstituierte Ordnung verhängt zwangsläufig ein Lachverbot gegenüber ihren offiziellen Dogmen, ihren Gründungsmythen und Funktionsträgern. Nachlesen kann man das bereits bei Cicero, dem archetypischen Hüter der "res publica" und dem Idol liberaler Publizistik. Cicero zufolge müssen drei Gruppen vom Lachen unberührt bleiben: Freunde, Höherstehende, Richter. Im ersten Fall geht es um die intime Gemeinschaft, im zweiten Fall um soziale Hierarchien, im dritten Fall um das Gesetz. Alle drei spielen im Feld paradigmatischer Ordnungsvorstellungen. Über sie zu lachen hieße: eine Kluft aufreißen. Generell gilt: Über die politische Ordnung darf absolut nicht gelacht werden, weil das Lachen an Inkongruenzen der Ordnung rührte, letztlich daran, dass die Ordnung selber unordentlich ist. Die Ordnung im und durchs Lachen an ihre Anfänge zurückzuführen hieße: sie entwürdigen. Gerade der fröhliche Genealoge Friedrich Nietzsche dürfte wie kein Zweiter darum gewusst haben. Im absoluten Verbot des Lachens bemüht sich jede konstituierte Ordnung darum, sich von ihren Anfängen zu absolvieren: Es ist dies ihr Wunsch nach Auto-Absolution. Pascal, im Wissen um die Rhetorik der Macht Nietzsche ebenbürtig, war dementsprechend fasziniert von den Momenten, in denen der Schein der Wohlbegründetheit, der das Sein sichert, zerfällt. Die notorische Fliege auf der Nase des Offiziellen, die metonymisch den Fliegenschwarm konnotiert und metaphorisch die rebellische Menge; die verrutschte Perücke auf dem Kopf des Würdenträgers; das Stolpern des erhaben einherschreitenden Priesters − hier macht sich die Tücke des Objekts, hinter der die Tücke des Politischen lauert, bemerkbar.

MERKUR Jahrgang 65, Heft 740, Heft 01, Januar 2011
broschiert
ISSN: 0026-0096

Autoren in dieser Ausgabe

Yoram Hazony, Paul Michael Lützeler, Henning Ritter, Friedrich Pohlmann, Wolfgang Ullrich, Christian Demand, Ingo Way, Gerd Roellecke, Lars Bullmann, Rolf Breuer,


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