MERKUR

Heft 01 / Januar 2015

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Zitate aus dem Januarheft, Nr. 788

Die Fixierung auf dasUrheberrecht entspringt einem allzu idealisierten Verständnis desgeisteswissenschaftlichen Verlagswesens und lenkt von den wirklichen Gefahrenfür die Buchkultur ab. Das Urheberrecht ist für den geisteswissenschaftlichenBuchmarkt im deutschsprachigen Raum von geringer Bedeutung. Nur ein paarwenige, wenn auch renommierte Verlage sind auf seine konsequente Umsetzungangewiesen, der große Rest, darunter die auf geisteswissenschaftliche Literaturspezialisierten Häuser, können sich mit digitalen Raubkopien auf russischenServern, Ausschnitten bei Google Books und Scans von Dozenten für Studentenarrangieren.

CasparHirschi/Carlos Spoerhase, Die Gefährdung des geisteswissenschaftlichenBuches

 

Jede Vermutung, erst mit dem Auftreten des Computers, desInternet oder gar erst des Internet der Dinge eine neue Medienepoche sich ankündigenzu sehen, ist demnach irreführend. Die elektronischen Medien beuten denKonnektionismus nur aus, sie begründen ihn nicht … Das Medium der Elektrizitätals Medium der Verschaltung, Vernetzung und Errechnung wird damit gesteigertund gezähmt zugleich. Es wird gesteigert, da immer wieder neue Möglichkeitender instantanen Verknüpfung gefunden werden. Und es wird gezähmt, da es ohnediese Möglichkeiten nicht genutzt werden könnte und es mit diesen Möglichkeitenauf diese Möglichkeiten – bis auf weiteres – reduziert wird.

Dirk Baecker, ZurNullzinspolitik der Notenbanken

 

In der Sprache des alten Ägypten gab es kein Wort oder Zeichenfür „Frieden“. Hielten die Kämpfe inne, war das ein Waffenstillstand.Normalzustand war Krieg. Das Wort für „Frieden“ wurde später, berichtet derHistoriker Holger Afflerbach, als semitisches Lehnwort eingeführt, weil es dazutaugte, auswärtige, fern vom Reich bestehende Beziehungen zu bezeichnen.

Alexander Kluge, PolitischeGeologie

 

Für den europäischen Raum gilt in der Tat, dass dieGeschichte der philosophischen Begriffe die Geschichte ihrer Übersetzungen ist.Angefangen von der translatio studii im Übergang vom Griechischen zum Lateinischen,auf die Heidegger bekanntlich den Beginn europäischer Seinsvergessenheitdatierte und der hier ein eigener Eintrag unter dem Lemma „to translate“gewidmet ist, erweist sich Übersetzen als das Medium der europäischenPhilosophie in einem strikten Sinne. Die Tätigkeit des Übersetzens bringtallererst hervor, was in dieser Tradition Philosophie heißt und kaum zufälligein „intraduisible“ par excellence darstellt: Unübersetzt ging das Wort„Philosophie“ in alle europäischen Sprachen ein und hat, mit Ausnahme derniederländischen „Wissbegeerde“, in keiner ein eigenes Synonym.

Eva Geulen, Begriffsgeschichtengo global

 

Sofern Denkmäler überhaupt in einem Sichtbarkeitswettbewerbstehen, kann dieser folglich nur andere Denkmäler betreffen. Denkmäler erfüllenihren Zweck aber keineswegs allein dadurch, dass sie Aufmerksamkeit erregen.Sie fordern Einstimmung ein und zwar im ambitioniertesten Sinne: Wer Denkmälerstiftet, will nicht nur erreichen, dass die politischen, sozialen oder auchkulturellen Identifikationen, die sie transportieren sollen, verstanden undernst genommen werden, er will vielmehr, dass sie jedermann als überjeden Zweifel erhaben und zugleich als Ausdruck ureigenster Überzeugungenempfindet.

Christian Demand, Memorialkolumne

 

„Nowness“ war für Pop immer ein Prinzip, das Vergangenheit,Historizität und Referentialität gerade nicht ausblendet, sondern in derscheinbar gegenläufigen Fixierung auf die Gegenwart mit aufruft und so in einemwenigstens doppelten Sinn ausstellt. In dieser Hinsicht bricht auch das Prinzip„Re-make/Re-model“ als Modus einer Wiederholung mit Differenz nicht erst 1972mit dem ersten Song der ersten LP der britischen Band Roxy Music insPopuniversum ein, das Prinzip der Repetition bestimmt – wie das Verfahren desPastiche – schon sehr viel länger eben das, was mit dem Begriff Pop erfasstwerden kann.

Eckhard Schumacher, Popkolumne

 

Burke ähnelt als Autor diesen erstaunlichen Wesen derTiefsee, die sich von dem ernähren, was von all den vielen anderen Tieren inden Ozeanen zu ihnen heruntersinkt. Wenn eine Großidee erfolgreich die Nahrungsketteder intellektuellen Debatte durchquert hat, vom ersten Entwurf in einemZeitschriftenaufsatz bis zur Allgegenwart auf dem kleinen Planeten der Fachhistoriker– dann, ganz am Schluss, schreibt Peter Burke ein Buch darüber.

Valentin Groebner, MitDante und Diderot nach Digitalien

 

Alice E. Marwick und danah boyd gehören zu den bestenExegeten der technologischen Veränderungen, die wir durchleben … Dabei gelingtes ihnen, ein paar der mit den jüngsten technologischen Veränderungenverbundenen Ängste zu zerstreuen. Sie widersprechen besorgten Eltern, vorlautenJugendlichen, voreiligen Journalisten, ambitionierten Berühmtheiten,erwartungsfrohen Unternehmern und all den anderen, die einfach davon ausgehen,soziale Medien seien entweder ein Freifahrtschein ins Glück oder ein Expressfahrstuhlin die Hölle.

Ted Striphas, Internetder Worte

 

Das freie Netz ist nur eine Idee. Es ist nichtatomschlagsicher, seine technischen und sozialen Systeme sind immer fragil,stehen stets unter Druck mächtiger organisierter Eigeninteressen aus Wirtschaftund Nationalstaaten. Das Internet ist aber nicht der ureigenste Turf des Militärsund der Geheimdienste, es ist Infrastruktur und Produktionsmittel zugleich,Ergebnis langer harter Arbeit verantwortungsbewusster Experten, ein Gemeinguthöchster Ingenieurskultur, das von Staat und Wirtschaft in deren eigenemInteresse sorgsam behandelt werden muss.

Günter Hack, DasInternet als militärisches System

 

Das Prinzip von Trennen und Zusammensetzen ist grundlegendauch für das Netz. Zum einen erschließt die Digitalisierung diesem Prinzip neueWirkungsräume … Zum anderen erfährt das Verhältnis zwischen dem Anbieter unddem Kunden durch das Netz eine wesentliche Veränderung, weil jetzt auch großeNetzunternehmen als Anbieter auftreten. Diese Unternehmen unterscheiden sich invielerlei Hinsicht wesentlich vom traditionellen Anbieter. Die schon vorhandeneTrennung zwischen Anbieter und Kunden wird damit so tief, dass neue Begriffenötig sind.

Roger A. Fischer, Zurgesellschaftlichen Lage des Netzes

 

Das Weimarer Goethemuseum war denn auch kein Ort der innerenEmigration des besseren Deutschland, es war integriert in die nationalsozialistischeKulturpropaganda, sei es als Spendenempfänger, sei es als Schauplatznationalsozialistischer Veranstaltungen. Hitlers Anteil an der Fertigstellungdes Neubaus wurde durch eine Stifterbüste und eine Gedenktafel im Museumsfoyersichtbar gemacht. 1937 eröffnete Goebbels im Goethe-Nationalmuseum die „Wochedes deutschen Buches“.

Paul Kahl/Hendrik Kalvelage,Der Erinnerungsort Goethe-Museum Weimar

 

Der Krieg bindet unsere Aufmerksamkeit an die blutigenEreignisse des Moments. Dem derart verengten Blick entgeht aber die historischeund kulturelle Weiträumigkeit des Konflikts. Für den historischen Tiefenblickist dabei der Topos des „Wilden Feldes“ von einiger Bedeutung. Obwohl der Nameseit dem Ende des 17. Jahrhunderts weder in der Kartografie noch im politischenDiskurs mehr Verwendung findet, ist er als kulturelles Image der Region im Landselbst sehr präsent.

Ljudmila Belkin, ZurVielheit in der Ukraine

 

Ich zappe wirr durch die Kanäle, wie in den neunzigerJahren, nur dass man in den neunziger Jahren auch Schrottprogramme nochinteressant, möglicherweise lebensnah, lehrreich und amüsant fand. Kurz die Wahnvorstellungentwickelt, dass die Werbeblöcke bei allen Privatsendern inzwischen ausZappingverhinderungsgründen zu exakt denselben Zeiten synchron abgewickeltwerden. War dann aber doch nicht so und mein gedanklich bereits aufgesetztesSchreiben an das Kartellamt konnte wieder verworfen werden. Ich zappe weiter,falls man heute überhaupt noch weiterzappen sagt.

Stephan Herczeg, Journal(XXII)

MERKUR Jahrgang 69, Heft 788, Heft 01, Januar 2015
112 Seiten, broschiert
ISSN: 0026-0096

Autoren in dieser Ausgabe

Caspar Hirschi, Carlos Spoerhase, Dirk Baecker, Alexander Kluge, Eva Geulen, Christian Demand, Eckhard Schumacher, Valentin Groebner, Ted Striphas, Günter Hack, Roger A. Fischer, Paul Kahl, Hendrik Kalvelage, Ljudmila Belkin, Stephan Herczeg,


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