Zitate aus Merkur, Nr. 815, April 2017
Parallel zur Auseinandersetzung zwischen Harmonie und Melodie wird der Streit
um den Vorrang von Kontur (disegno) und Farben geführt. Dies ist das
Gegenstück zur zeitlichen Erfüllung im Räumlichen; wie die Harmonie ist das
disegno messbar
und geometrisch bestimmbar, die Farbe dagegen wird wie die Melodie elementar
sinnlich erfahren. Die gesellschaftliche Zuordnung und Parteiung wird parallel
dazu mitgeführt.
Reinhard Brandt, Schönheit in der Verneinung
Partizipation
ist politisch und moralisch gut, scheint man hier zu wissen, und sie muss daher
auch eine Aufgabe der öffentlichen Schule sein. Die entsprechende Pädagogik
lautet: »Getting the students involved«. Das »aktive Mitmachen« ist so wichtig,
dass Fragen nach den Zielen und den Mitteln des Aktivseins nur nachgeschaltet
interessieren. Partizipiert und aktiv mitgemacht wurde aber auch in der
Hitlerjugend, dem Bund Deutscher Mädel oder später in der Freien Deutschen
Jugend – geheiligt muss Partizipation als Partizipation sicher nicht werden.
Roland Reichenbach, Kult der Inkompetenz
Die
Überkreuzstellung zwischen Hochschulleitung und dem Fächerverbund der Universität
eröffnet ein Spannungsfeld. Es konstelliert sich zwischen dem Versuch einer
vielgestaltigen Gesamtsicht (aus ihr ableitbarer Konsequenzen) und einer
zentrifugalen Bewegung, die im Wesentlichen der Disziplinenlogik folgt und die
universitären Belange nur dann im Blick behält, wenn sie der Vermehrung der
Eigeninteressen oder Eigenressourcen dienen. Es geht um Beutegemeinschaften.
Dazu gehört dann allerdings schon auch, die Reputation der eigenen Einrichtung
zu stärken, denn auch dies ist symbolisches Kapital für das einzelne
Fach.
Jürgen Fohrmann, Stellungswechsel
Indem
Jakobson also zwischen immer
übersetzbarer Erkenntnis und nie übersetzbarer Dichtung unterscheidet, lenkt
er den Blick auf eine zentrale Eigenschaft der Kunst, deren Art, Erkenntnis zu
stiften, sich von nichtkünstlerischer fundamental unterscheidet, indem sie
erade nicht »erklärt«, sondern »erkennen macht«. Kunsterkenntnis ist notwendig performativ.
Daniel Graf, »Unübersetzbar!«
Gegen das
Stück lässt sich also einwenden, dass es kein sauberes juristisches Handwerk
vorführt und den Zuschauern eine »verwirrende Rechtsbelehrung« (Schild)
erteilt. Auch wenn ein Theaterstück keine juristische Vorlesung sein kann,
hätten die Gesetze der Dramaturgie mehr Unterscheidung, ein saubereres
Abarbeiten der implizierten unterschiedlichen Fragen wohl vertragen. Aber
Populismus? Volksgerichtshof?
Gertrude Lübbe-Wolff, Rechtskolumne.
Kommt also womöglich gerade eine siebzig Jahre andauernde Periode
des Freihandels an ihr Ende? Wirtschaftshistorisch betrachtet wäre ein solcher Paradigmenwechsel
zunächst keineswegs ungewöhnlich: Tendenzen hin zur Liberalisierung und zur
Abschottung der Märkte scheinen in einer Art historischer Wellenbewegung
aufeinander zu folgen. Erklärungsbedürftig wäre aus dieser Perspektive also
eher, dass das Ideal der Handelsliberalisierung seine Vorherrschaft überhaupt
so lange behaupten konnte.
Roman Köster, Ökonomiekolumne
In seinem postum veröffentlichten Erlebnisbericht von 1940 hatte
sich Löwith in einer Art Abgesang ausführlich mit den philosophischen Anfängen seines
Lehrers, dessen Persönlichkeit und Einstellung zum Nationalsozialismus
beschäftigt: Heideggers Totalkritik am herrschenden Kultur- und Bildungsbetrieb
zog die jungen Studenten an. In seinem Hörsaal sei wie in Nietzsches Götzendämmerung »mit dem
Hammer philosophiert« worden, nach der berühmt-berüchtigten Rektoratsrede vom
27. Mai 1933 jedoch habe man nicht mehr gewusst, »ob man Diels Vorsokratiker in
die Hand nehmen … oder mit der S.A. marschieren« sollte, so Löwith in seiner
Autobiografie.
Kay Ehling, Biografische
Notizen zu Karl Löwith
Mit dem
eigentümlichen, von Absatz zu Absatz fließenden Rhythmus seines Romans stößt
uns Berger immer wieder auf die Schwierigkeit, diese atemlose, so überfüllte
Welt, die auch schon das Europa um 1900 war, überhaupt in Worte zu fassen.
Nicht mit Spannungsbögen, sondern mit der Genauigkeit seines Beschreibens
fesselt er, mit hypnotisch wirkenden Details …, dokumentarischer
Gegenüberstellung … und lyrischen Stillleben … Es ist erstaunlich, wie sehr in
so manchen Sätzen die Zeit gedehnt wird; kein fotografisches, sondern ein
archäologisches Gedächtnis übt sich da in Erinnerung. Schicht um Schicht wird
»eine Minute im Leben der Welt« rekonstruiert.
Kai Marchal, Das Gedächtnis der Welt. Zu John
Berger
Hinter der Ruine kann man über
Heidelbeeren und Geröllhalden zu den Gletschern hinauf. Im Spätsommer sind sie
grauweiß gestreift und sehen wie riesige Flundern aus, die sich um die
Felszacken krümmen. Wenn die Sonne herauskommt, füllen sie das Tal mit einem
unwirklichen kalten Licht, und die Felsen haben psychedelische Farben. So funktioniert
Alpinismus: als unmögliche Verschmelzung mit der ästhetisch hochgefahrenen
Szenerie, die man selber aber nie erreicht und der man auch nicht gerecht wird.
Valentin Groebner, Historischer Ortstermin: Gipfelglühen
Meine in Belfast lebenden Eltern sind im eigenen Land wohnhafte doppelte Staatsbürger
mit irischem Pass. Ihre probritischen Nachbarn mit britischem Pass werden als
britische Staatsbürger anerkannt, die ebenfalls im eigenen Land wohnen. Wie
soll man da per Ausweis das Recht zur Ein- und Ausreise kontrollieren, wenn
eine »harte (EU)Grenze« entsteht?
Pól Ó Dochartaigh, Der Brexit, Irland und
Deutschland
Alles, was ein Foto attraktiv
macht – bekannte Personen, sehenswerte Objekte oder malerische Landschaften –,
fehlt hier auf eine fast demonstrative Weise. Ein Totalausfall sozusagen. Und dennoch
existiert diese Aufnahme. Sie scheint auch nicht versehentlich aufgenommen
worden zu sein. Hierfür wirkt die Szene zu »inszeniert«, auch wenn deren
Botschaft so ohne Weiteres nicht erkennbar ist. Ein Spezialfall.
Harry
Walter, Tortenspitzen
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