MERKUR

Heft 07 / Juli 2016

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Zitate aus dem Juliheft, Nr. 806

Es ist fast unendlich viel im Bereich der Tierpsychologie unbekannt. Wir wissen nicht, wie die komplizierten Verknüpfungen in der Tierseele aussehen, die das Herumtollen junger Hunde ermöglichen, das Spiel des »Als ob«: als ob sie sich beißen, als ob sie sich fangen. Wir wissen nicht, wie es möglich ist, dass Insekten Staaten bilden mit verflochtenen Funktionen. Hier können wir mit Sicherheit sagen: Das Denken, wie wir es ausüben, kann den Bienen und Ameisen nicht geholfen haben und nicht weiter helfen. Und ein anderes Denken kennen wir nicht. Also bleibt nur die Auskunft des Nichtwissens oder vielleicht des Noch-nicht-Wissens.

Reinhard Brandt, Die Lobby der Tiere

Sicherlich kann es nicht darum gehen, den Generalverdacht des Modernismus gegen die akademische Malerei des 19. Jahrhunderts wiederzubeleben und mit Adorno und Greenberg »Kunst« und »Kitsch« zu polarisieren. Aber die Kunstgeschichte sollte sich der nicht unerheblichen Aufgabe stellen, all jene Kategorien der ästhetischen Erfahrung aufzuarbeiten, die mit der Erschließung eines Massenpublikums durch die Malerei einhergingen und weder im Horizont einer kantschen noch einer burkeschen Ästhetik gefasst werden können: das Niedliche und Hübsche, das Obszöne und Grauenvolle, das Kitschige und Bizarre, das Hyperbolische und Exzessive.
Barbara Wittmann, Die Viktorianer – unsere Zeitgenossen

In den 1980er Jahren kristallisierte sich die bundesrepublikanische genealogische Erinnerungskultur an zwei großen nationalen historischen Museen: dem Deutschen Historischen Museum in Berlin und dem Haus der Geschichte in Bonn. Dreißig Jahre später könnte es ein im Kern ethnologisches Museum im Humboldt-Forum sein, das der deutschen Erinnerungskultur die Richtung weist und Themen auf die öffentliche Agenda setzt, die gut zur Selbstfindungsphase eines Einwanderungslands passen.
Thomas Thiemeyer, Deutschland postkolonial

Gegen Ungerechtigkeit und für die Gleichheit zu sein, heißt, kann nur heißen, für individuelle, subjektive Rechte zu sein. Dass uns dies als eine alternativlose Selbstverständlichkeit erscheint, bringt aber nur zum Ausdruck, dass wir alle Liberale geworden sind. Zwar mag es zutreffen, dass der Liberalismus als eine Partei, die im Gegensatz zu anderen steht, im Verschwinden begriffen ist. Zugleich aber ist es dem Liberalismus gelungen, seine parteiliche Grundannahme als unumstrittenes Grundprinzip der soziopolitischen Ordnung zu etablieren.
Christoph Menke, Philosophiekolumne

Der aus Kamerun stammende Mbembe, der heute in Südafrika lebt, vertritt eine wuchtige These. Sie besagt, dass dem globalen Kapitalismus, wie er im 15. Jahrhundert im Kontext des transatlantischen Sklavenhandels entstanden sei, von Beginn an ein rassistisches Denken, eine »schwarze Vernunft« eingeschrieben war. Der Aufstieg Europas ging demnach einher mit der Schaffung der Figur des »Negers«, des »Menschenmaterials«, der »Menschenware«. Inzwischen bilde Europa zwar nicht mehr das Gravitationszentrum der Welt, doch die »condition nègre« sei in der durch überbordenden Kapitalismus charakterisierten Gegenwart weiterhin präsent, wenngleich vom Konzept der Rasse entkleidet, nun gleichsam in Gestalt eines »Rassismus ohne Rassen«.
Andreas Eckert, Der Ausgang aus der großen Nacht

Als Louis C.K. die Serie Louie entwarf, versprach ihm der Sender FX vollkommene künstlerische Freiheit innerhalb eines moderaten, aber garantierten Budgets, ein Versprechen, das bis heute in der Fernsehwelt einmalig sein dürfte und als »Louis-C.K.-Deal« bekannt wurde. Als Hauptfigur, alleiniger Autor, Cutter und Regisseur von Louie wurde C.K. in kürzester Zeit zu einem der wenigen autonomen Autorenfilmer im englischsprachigen Raum.
Jan Wilm, Leben und Abschweifungen von Louis C.K., Comedian

Während noch eifrig darüber gestritten wird, wie mit dem verschwundenen Kanon umzugehen sei, sind dort, wo über den Kanon nicht geredet, sondern wo er tatsächlich gemacht wird – im Museum nämlich –, diese Fragen längst entschieden worden. Und das überraschende Resultat ist, das die Rede vom »Verlust des Kanons«, zumindest was die Bildende Kunst betrifft, Unsinn ist.
Jan von Brevern, Ist Kunst widerständig?

Selbst den hartnäckigsten Verfechtern studentischer Selbstbestimmung leuchtet unmittelbar ein, dass man ein Studium der Biologie oder der Chemie nur unter der Bedingung regelmäßiger Anwesenheit in Laboren erfolgreich bewältigen kann. Dass auch wissenschaftliche Basisoperationen wie das Analysieren, Verstehen oder Interpretieren von Texten nur durch wiederholtes Training und in der Interaktion mit anderen erlernt werden können, scheint dagegen schwer vermittelbar zu sein.
Erika Thomalla, Das wissen wir also noch nicht

Es liegt auf der Hand, dass jedes regelbasierte Maßnahmenpaket genauso gut auch im Rahmen einer eilig einberufenen parlamentarischen Sondersitzung beschlossen werden könnte. Aber zugleich weiß man, dass solch eine rasche, friktionsfreie Umsetzung illusorisch ist und Diskussionen, Arbeitsgruppen, Abstimmungen und mannigfaltiges Hickhack den Prozess oft stark bremsen. Durch die festgelegte Regel wird die Reaktion hingegen beinahe zu einem unbewussten Reflex.
Markus Knell, Politique Automatique

Der Bauer hält sich Gänse und hat eine Flinte im Schrank. Er ist ein friedliches Haustier. Aber wenn ein Räuber kommt, wird er zum Gendarm. Auch der Räuber hat eine Waffe, auch er ist ein gendarme. Auch er gehört zu den Leuten, die eine Waffe zur Hand haben. Die Menschen sind ein bewaffnetes Geschlecht. Tiere verzichten auf Hand und Waffe.
Hannes Böhringer, Wer da?

Obwohl doch im Pudel der Wolf kaum mehr zu erkennen ist, hat sich das Dämonische keineswegs aus ihm verzogen, sondern vielleicht nur ins penetrant Süßliche fortentwickelt. Die Verhaustierung eines ursprünglich in Rudeln lebenden Raubtiers erreicht ihr Maximum, wenn uns aus einem Fellknäuel heraus zwei freundliche Knopfaugen anschauen und wirklich uns damit meinen.
Harry Walter, Frauen mit Pudel



MERKUR Jahrgang 70, Heft 806, Heft 07, Juli 2016
104 Seiten, broschiert
ISSN: 0026-0096

Autoren in dieser Ausgabe

Reinhard Brandt, Barbara Wittmann, Thomas Thiemeyer, Christoph Menke, Andreas Eckert, Jan Wilm, Jan von Brevern, Erika Thomalla, Markus Knell, Hannes Böhringer, Harry Walter,


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