MERKUR

Heft 08 / August 2011

Diese Ausgabe erwerben
Printausgabe vergriffen, Artikel als PDF erhältlich, siehe unten
Alfred Gulden

Müde Krieger . Fünf Skizzen

« zurück zum Inhalt

Zitate:

Auf der Fahrt in die Normandie, Höhe Péronne, zögere ich jedes Mal einige Sekunden, ob ich nicht von der Autobahn ab und nach Péronne hinein soll, um mir im Historial de la Grande Guerre die Dokumente zur Schlacht an der Somme anzusehen. Einmal war ich fast soweit, denn eine Ausstellung von Jacques Tardi war angekündigt. Putain de guerre, Die wahre Geschichte vom unbekannten Soldaten, Varlot soldat, Das Ende der Hoffnung, Für Volk und Vaterland: Titel einiger seiner Comicalben, in denen er den Wahnsinn des Ersten Weltkriegs gezeichnet hat: den zynischen Umgang der Befehlshaber beider Seiten mit Menschenleben, das sinnlose Sterben in Schlachten, die der britische Militärhistoriker Basil Liddell Hart mit den Worten "Nothing but stupid mutual mass-slaughter" zusammenfasste. Trotz Tardi: Ich bin nicht abgebogen. Die Neugier, näher an diesen, den letzten Teil der Geschichte von Vaters Vater heranzukommen, mehr Einblick zu gewinnen, kämpfte in mir mit dem Widerstand, dass Dokumente wie Fotos, Filme und Gegenstände mich überrumpeln, meine Phantasie ins Unerträgliche reizen könnten, wie es der Film Westfront von G. W. Pabst getan hatte, nach dessen Anschauen ich wochenlang von Albträumen geplagt war. Von Tardi gezeichnet, waren mir ein weggeschossenes Gesicht, abgerissene Arme und Beine, heraushängende Gedärme irgendwie (durch die künstlerische Gestaltung?) erträglich gewesen, konnte ich hinschauen, aber schon im Spielfilm− obgleich ich mir immer wieder sagte: "Es sind nur Schauspieler. Sie tun nur so. Da steht die Filmkamera" − sah ich in diesem oder jenem Soldatendarsteller Vaters Vater, stellte ich mir ihn in den gefährlichen Frontszenen, dem entsetzlichen Gemetzel vor. "Somme. An der Somme": Mehr hatte ich von meinem Vater nie erfahren. Genaueres, so vermute ich, wusste er auch nicht. Wo, an welchem Teil der Frontlinie sein Vater im Schützengraben gelegen, gekämpft, wo und wie er gefallen war: Woher hätte Vater das auch wissen sollen?

MERKUR Jahrgang 65, Heft 747, Heft 08, August 2011
broschiert
ISSN: 0026-0096

Autoren in dieser Ausgabe

Karl Heinz Bohrer, Egon Flaig, Konrad Adam, Alfred Gulden, Joachim Sartorius, Jens Bisky, David Wagner, Peter Brown, Christian Schröder, Horst Meier, Christoph Markschies, Wolfgang Marx, Hans Dieter Schäfer,


Unser Service für Sie

Zahlungsmethoden
PayPal (nicht Abos),
Kreditkarte,
Rechnung
weitere Infos

PayPal

Versandkostenfreie Lieferung
nach D, A, CH

in D, A, CH inkl. MwSt.
 
weitere Infos

Social Media
Besuchen Sie uns bei


www.klett-cotta.de/im-netz
Facebook Twitter YouTube
Newsletter-Abo

Klett-Cotta-Verlag

J. G. Cotta’sche Buchhandlung
Nachfolger GmbH
Rotebühlstrasse 77
70178 Stuttgart
info@klett-cotta.de