MERKUR

Heft 09/10 / September 2011

Sag die Wahrheit! Warum jeder ein Nonkonformist sein will, aber nur wenige es sind.

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Printausgabe vergriffen, Artikel als PDF erhältlich, siehe unten
Gerhard Neumann

Die Pawlatsche . Kafkas Trauma

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Zitate:

Es ist also eine Poetologie des Außenseitertums, die hier, in Kafkas Werk und seinen Experimentanordnungen, entworfen wird: einerseits in ihren Auswirkungen auf die endende Geschichte des Individuums, seiner Gefährdung durch das Fremde, das als Eigenes inkorporiert wird; andererseits in ihrer Funktion in der beginnenden Geschichte der Massen. So wie Kafkas Vater seinen Sohn aus der Normalität in die Rolle des Außenseiters drängt, so kehrt sich das Verhältnis Kafkas zu der ihm folgenden Generation abermals um: Das Prinzip Kafka tritt aus seiner Außenseiterposition heraus und erlangt universelle kulturelle Geltung als Beschreibungsmuster der Masse der Einzelnen in der Kultur. Dies geschieht in einer Welt der zunehmenden Traumatisierung der Geschichtserfahrung, der abgebrochenen Überlieferungen, der Ersetzung des Einzelnen durch die Masse, einer Welt der Angst und des flottierenden Schuldbewusstseins. Es scheint, als zeige sich in dieser Welt, in der wir leben, in Gestalt der Masse, die sie als fremde und entfremdende beherrscht, das Individuum alternierend bald als Außenseiter, bald als Integrant. Es ist eine Welt verschiedener sozialer Plattformen wie beispielsweise der Internetforen, wo punktuelle Integration mit krassem Ausgeschlossensein wechselt. Es ist eine Welt der Unübersichtlichkeit, in der Schübe von "displacements" von solchen der Insidererfahrung gekreuzt werden. Es ist eine Migrantengesellschaft, in der beide Rollen von Außenseitertum und Integration nebeneinander gelebt werden − die Einzelnen einander wechselweise befremdlich bis zur Unkenntlichkeit. Es zeigt sich eine vielschichtige Existenzformel, die noch ihrer Entschlüsselung harrt. Dieser Welt hat man das aus Kafkas Namen gebildete Adjektiv zugesprochen, eine seltene Auszeichnung, wie sie kaum einem Autor zuteil wurde: "kafkaesk". Es ist das Signet der Moderne geworden, wie wir sie verstehen; durch einen Außenseiter wahrgenommen, der sich stets weigerte, ein solcher zu sein.

MERKUR Jahrgang 65, Heft 748/749, Heft 09/10, September 2011
238 Seiten, broschiert
ISSN: 0026-0096

Autoren in dieser Ausgabe

Peter Bürger, Jörg Lau, Jürgen Kaube, Norbert Bolz, Gustav Seibt, Karl Heinz Bohrer, Henning Ritter, Ulrike Ackermann, Karin Westerwelle, Reinhard Steiner, Gerhard Neumann, Rainer Hank, Lothar Müller, Ute Frevert, Adam Krzemiński, Siegfried Kohlhammer, Hans Ulrich Gumbrecht, Jürgen Paul Schwindt, Christian Demand, Ingo Meyer, Joachim Fischer, Michael Rutschky, Harald Welzer, Sebastian Wessels, Heinz Bude, Kurt Scheel,


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