MERKUR

Heft 10 / Oktober 2016

Heft 809

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Zitate aus dem Oktoberheft 2016, Nr. 809

Die Anwendung von Gewalt durch Muslime ist situationsbedingt, also kontingent. Der entscheidende Auslöser ist dabei eine Gefährdung ihrer Gemeinschaft. Muslime können sich in Krisensituationen ihrer Religionsgemeinschaft an unterschiedlichen Modellen der Reaktion und des Handelns orientieren. Neben Erzählungen über beispielsweise wundersame Siege der kleinen Schar des Propheten über die unvergleichlich gewaltigere Armee der Feinde gibt es aber auch ganz andere kanonische Definitionen der Situation, die eine Koexistenz mit den Ungläubigen erlauben. Die lange Dauer der Reiche, in denen Muslime und Andersgläubige zusammenlebten, sind dafür Beweis.

Hans G. Kippenberg, Islamische Gewalt


Wer von spekulativer Lust erfüllt ist, kann (...)  sich fragen, ob wir uns zur Zeit, nach einer kurzen Ära der globalen Ordnung, auf dem Rückweg in eine thalassische Ordnungsbildung befinden, bei der die zentrale Herausforderung der Europäer in der Stabilisierung der gegenüberliegenden Mittelmeerküste und der Neuordnung des Nahen Ostens besteht – oder ob die Europäische Union im Begriff ist zu zerfallen, also aus einer großräumlichen in eine kleinräumliche Ordnung zurückzukehren, wie dies etwa mit dem Zerfall des Römischen Reichs am Ende der Antike der Fall war.

Herfried Münkler, Ordnung


»Ordnungen« existieren also nicht; sie sind nur Versuche, die Welt begreifbar und beherrschbar zu machen. Jede Anstrengung indessen, sie ganzheitlich zu formulieren oder gar zu realisieren, ist fragwürdig geworden, weil sie darüber hinweggeht, dass eben dieses Ganze nicht erfasst werden kann. Die Beschreibung und jeder Entwurf eines sozialen Ganzen hat unter den menschheitlichen Bedingungen nach der Achsenzeit und erst recht nach der zweiten welthistorischen Zäsur der Moderne unvermeidbar ideologische Dimensionen.

Michael Borgolte, Intellektuelle und die Ordnungen der Welt – universalhistorisch betrachtet


Soll über jedes einzelne Buch gesprochen werden, das eingereicht wurde? In welcher Reihenfolge soll gesprochen werden? Oder soll jedes Jury-Mitglied gleich seine Favoriten nennen? Oder im Gegenteil diejenigen Bücher, von denen es glaubt, dass sie gleich gestrichen werden können? Wann soll abgestimmt werden? Mit welchem Prozedere soll abgestimmt werden? Was geschieht bei Stimmengleichheit?

Dirk Knipphals, Über Literaturjurys


Damit geht eine Neuordnung von Produktionsprozessen einher. So lädt Amazon Studios auf seiner Website jedermann freundlich dazu ein, Filmprojekte und Drehbücher einzureichen (»open doors for creators … online submission process … we’re looking for comedies that are smart, original, funny, characterdriven, and have well-defined worlds«) und nimmt seine Kunden als Gutachter in Dienst (schließlich haben sich Interaktion, Gamifizierung und Eventisierung als Strategien der Kundenbindung bewährt).

Elena Meilicke, Filmkolumne


Ökonomische Ungleichheit und ihre Beseitigung galten im 20. Jahrhundert als globale Herausforderungen. In den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts scheinen dagegen globale Lösungen oder auch nur Forderungen, die die Interessen der Nationalstaaten übersteigen, schwer vorstellbar – und das, obwohl die Idee der Globalisierung einen kaum steuerbaren, grenzenlosen und manchmal bedrohlich »kosmopolitischen« Hyperkapitalismus evoziert und die Rufe nach ökonomischer Gleichheit lauter denn je sind.

Glenda Sluga, Geschichtskolumne


Denn nicht das Individuum entstand in der Renaissance (auch wenn das die Kuratoren vor fünfhundert Jahren behauptet haben). Sondern der Kunstmarkt. Und auf dem waren Bilder, die den Maler selbst zeigten, die beste Werbung für seine Fertigkeiten. Das Bild eines Gesichts ist deshalb, bitteschön, nichts Intimes. Dürer, Parmigianino und Kollegen malten ihre Selbstporträts als Reklame in eigener Sache und sorgten dafür, dass sie potentiellen Kunden unter die Augen kamen.

Valentin Groebner, Dieser Ausstellungskatalog ist ein Selfie


Bei dem Namensgeber für dieses wärmende, berauschende Getränk handelt es sich um Patrice Lumumba, den ersten frei gewählten Präsidenten des postkolonialen Afrika. Ein besinnungsloser Kannibalismus, der die Karibik (Rum und Punsch) mit Afrika (Schokolade) verbindet. Damit wäre zugleich eine Spur gezogen, der die Sklavenschiffe des 18. und 19. Jahrhunderts schon folgten. Man sagt Schokolade und meint Afrika. Dass hier eine Galionsfigur des »Jungen Afrika« und damit der afrikanische Kontinent gelöffelt oder gesoffen wird, verstärkt das koloniale Gefälle in der Wahrnehmung der anderen Welt.

Hans Thill, Luma, Luma


Europa hat über lange Jahrhunderte auf die Welt eingewirkt; es kann sich deshalb nicht in dem Augenblick, in dem die Welt verstärkt auf Europa zurückwirkt und soziale Pathologien aus der kolonialen oder postkolonialen Peripherie auftreten, guten Gewissens auf sich selbst zurückziehen. Wenn kritische linke Intellektuelle überhaupt Späher und Kundschafter des Kommenden sein können, dann müssten sie diese Rolle heute jenseits von längst überfällig gewordenen Territorial- und Kulturgrenzen ausfüllen, mitten in der Schnittzone konkreter Weltverhältnisse.

Kai Marchal, Europäischer Universalismus und kein Ende?


Die Atmo, die in Klagenfurt dieses Soziogramm verhindert, wird vom Genre Ingeborg-Bachmann-Preis produziert. Der Bachmann-Preis ist ein Genre. Das ist hier unsere schwache These. Oh, so schwach! Genre organisiert hier nicht nur Text, sondern auch Affekte, verteilt sie in den verschiedenen Klagenfurts: In Twitterklagenfurt, Verlagsklagenfurt, Feuilletonklagenfurt, Echtklagenfurt. So viele Klagenfurts. An all diesen Orten macht das Genre jedes Jahr aufs Neue klar, dass hier größere Neuheit nicht zu erwarten ist.

Tilman Richter/Max Wallenhorst, Schwache Texte. Ingrid-Bachmann-Preis 2016


Selbst von einer bereits auf den Führergruß eingepegelten Gesellschaft wäre nicht zu verlangen gewesen, dieses Theater der Hände zur Gänze einzustellen und mit einer eindeutigen Botschaft zu überschreiben. Sich im Wasser aufhaltende Körper sind vermutlich am unempfänglichsten für alles Zackige und Winkeltreue, wie überhaupt jedes tiefere Eintauchen ins nasse Element das Kindliche in uns freisetzt, freisetzt, also das, was der Körperdressur entgangen ist und dem Plantschen noch näher liegt als dem Schwimmen.

Harry Walter, Ostseegesellschaft


MERKUR Jahrgang 70, Heft 809, Heft 10, Oktober 2016
104 Seiten, broschiert
ISSN: 0026-0096

Autoren in dieser Ausgabe

Hans G. Kippenberg, Herfried Münkler, Michael Borgolte, Dirk Knipphals, Elena Meilicke, Glenda Sluga, Valentin Groebner, Aymen Hacen, Aymen Hacen, Hans Thill, Kai Marchal, Tilman Richter, Max Wallenhorst, Harry Walter,


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