Der langjährige Herausgeber des Merkur, Karl Heinz Bohrer, ist gestorben. Eckhard Schumacher würdigt ihn in seinem Nachruf. Aleida Assmann zeigt, wie die Versöhnung der scheinbar unversöhnlichen Positionen zum Verhältnis von Holocaust- und Kolonialismus-Erinnerung aussehen könnte.
Inhaltsübersicht Merkur, Nr. 869, Oktober 2021
Im Anschluss an Sebastian Conrads Essay zur Erinnerungspolitik aus dem August-Heft erklärt Aleida Assmann, wie die Versöhnung der scheinbar unversöhnlichen Positionen zum Verhältnis von Holocaust- und Kolonialismus-Erinnerung aussehen könnte. Sehr viel kritischer bezieht sich Martin Schulze Wessel auf Conrads Text: An der Singularität des Holocaust will er auf keinen Fall rütteln. Einer "Schreib"-Praxis, die von Kulturhistorikern eher vernachlässigt wurde, widmet sich David Kuchenbuch in seinen Beobachtungen zur Geschichte des Diktierens in (nicht nur) den Geisteswissenschaften. Gregory Jones-Katz lehrt als Historiker an einer Universität im chinesischen Shenzhen und schildert die Kulturschocks, die er dabei erlebt hat.
In seiner Rechtskolumne empfiehlt Florian Meinel im parlamentarischen Umgang mit der Anti-Systempartei AfD rechtliche Neujustierungen zur Schärfung des Gegensatzes von Regierung und Opposition. Jan von Brevern geht in seiner Ästhetikkolumne der Frage nach, was es mit dem "Lumbung", dem Schlüsselbegriff der documenta-15-Kuratorengruppe ruangrupa, und der Konjunktur der Scheune im Kunstbereich auf sich hat. Mit seiner Fassung der Biopolitik ist Giorgio Agamben nicht erst seit seinen jüngsten Corona-Irrwegen auf der Flucht vor der Gegenwart, erklärt Benjamin Bratton.
Der langjährige Herausgeber des Merkur, der Literaturwissenschaftler, Kritiker und Intellektuelle Karl Heinz Bohrer, ist gestorben. Eckhard Schumacher würdigt ihn in seinem Nachruf. Christoph Paret macht sich Gedanken, wie die Menschheit damit umgehen soll, dass in Zeiten des Anthropozän ihr Unvergänglichstes Plastik und Müll ist. Elias Kreuzmair liest Proust bzw. Proust-Bot-Posts und stellt Überlegungen dazu an, was "lesen" in diesem Kontext eigentlich heißt. Was mit dem Adjektiv "alttestamentarisch" gemeint und was mit ihm impliziert ist, versucht Kathrin Wittler zu klären. In Hanna Engelmeiers Kolumne geht es um Drogen, Neukölln und Häuserwahlkampf.
INHALT
ESSAY
Aleida Assmann
Wie viel Geschichte braucht die Zukunft?
Martin Schulze Wessel
Zur Singularität des Holocaust.
Eine Antwort auf Sebastian Conrad
David Kuchenbuch
Zum Diktieren in den Geisteswissenschaften 1800-1989
Gregory Jones-Katz
Schwindel der Gegenwart.
Leben in Shenzhen
KRITIK
Florian Meinel
Rechtskolumne.
Zur Zukunft der parlamentarischen Minderheitenrechte
Jan von Brevern
Ästhetikkolumne.
„Lumbung“ – die Rückkehr der Scheune
Benjamin Bratton
Die Philosophie in der Pandemie.
Ein Totalausfall
MARGINALIEN
Eckhard Schumacher
Im Widerspruch beflügelt.
Über Karl Heinz Bohrer
Christoph Paret
Versehentlich unsterblich.
Nachleben im Anthropozän
Elias Kreuzmair
Lesen (Proust-Bots)
Kathrin Wittler
Das Adjektiv „alttestamentarisch“.
Zum Verhältnis von Sprachpolitik und historischer Semantik
Hanna Engelmeier
Hört die Signale