Der Volksentscheid über die sechsjährige Grundschule hat nicht nur im Norden für viel Wind gesorgt. Die Hamburger Bürgerschaft ist mit ihrem Versuch gescheitert, eine Schulreform an der Öffentlichkeit vorbei durch das Parlament zu schleusen. Dabei hat sich gezeigt, welche Distanz zwischen dem Wahlvolk und seinen in der Frage der Primarschule geeinten Volksvertretern bestand. Besonders deutlich wurden die Spannungen, als der christdemokratische Bürgermeister Ole von Beust den Vertretern der Initiative "Wir wollen lernen!" Ausländerfeindlichkeit vorwarf. In einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung bekundete er Überraschung darüber, dass manche so unverhohlen sagen: "Wir wollen nicht, dass unsere Kinder länger als notwendig mit Kindern mit Migrationshintergrund zur Schule gehen." Der Konflikt um die Äußerungen von Beusts lässt sich nur vor dem Hintergrund der nunmehr seit vielen Jahren geführten Diskussion über die schlechten schulischen Leistungen der sogenannten Migrantenkinder verstehen. Es ist zwar nicht wahr, dass Kinder, die sich an unseren Schulen schwertun, alle einen Migrationshintergrund haben. Andersherum ist aber die Zahl dieser Schüler bei der Gruppe der Schulversager leicht ermittelbar: Neuntklässler ohne Migrationshintergrund, so erfahren wir, erreichten bei der Pisa- Lesekompetenz im deutschen Schnitt 513 Punkte − Jugendliche mit polnischen Wurzeln und aus der ehemaligen Sowjetunion erreichen 470 beziehungsweise 466 Punkte, türkische aber nur 417 Punkte. Was die Pisa-Statistiken in nackten Zahlen ausdrücken, bestätigt sich nicht selten im schulischen Alltag. In der zweiten Klasse meiner achtjährigen Tochter in Berlin-Tempelhof sind zweiundzwanzig Kinder. Fünf davon wurden zum Ende des Schuljahres nicht versetzt. Ihrer Nationalität entsprechend könnten sie Kevin, Fatima, Burak, Mirza und Jiad heißen. Nicht erst die Debatte in Hamburg hat die Frage, wie unsere Schulen und unsere Bildung gestaltet werden sollen, mit der Einwanderung in Verbindung gebracht. Was in den Köpfen vieler Eltern präsent ist, hat eine reale Grundlage und begleitet die deutsche Schuldebatte seit vielen Jahren. In einem Aufsatz aus dem Jahr 1981 heißt es beispielsweise: "Der Ausländeranteil an der Schülergesamtzahl ... betrug im Schuljahr 1979/80 9,6 Prozent an Grundschulen, 8,1 Prozent an Hauptschulen, 6,4 Prozent an Sonderschulen, 1,7 Prozent an Gymnasien und 1,7 Prozent an Realschulen ... Deutlich wird durch diese Zahlen besonders die Unterrepräsentation der Ausländerkinder gegenüber den deutschen Schülern auf Realschule und Gymnasium ... bzw. ihre Überrepräsentation auf der Hauptschule. Subtrahiert man die Anteile von Ausländerkindern, die nicht aus Anwerbeländern stammen − dies sind vor allem Japaner, Franzosen und US-Amerikaner, die vielerorts eigene Schulen haben und unter günstigeren Verhältnissen leben −, verringert sich der Anteil der ´Gastarbeiterkinder´ auf Realschule und Gymnasium weiter".
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