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PSYCHE, 2019, Jg. 73, Ausgabe 9-10

PSYCHE, 2019, Jg. 73, Ausgabe 9-10

Digitalisierung. Folgen für Psyche und Kultur

DOI: 10.21706/ps-73-9

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Beschreibung


Der umfassende digitale Wandel der Gegenwartskultur erzeugt grundlegend neue, sich fortlaufend rasch verändernde Voraussetzungen des Heranwachsens und der allgemeinen Lebensführung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Er ist verbunden mit vielfältigen Herausforderungen und Optionen für die Kommunikation in der Familie und im gesellschaftlichen Alltag und wirkt sich insbesondere auf die Gestaltung der Beziehungen aus.

Das vorliegende Heft schildert die sich daraus ergebenden Chancen und Risiken für die psychischen Entwicklungen und diskutiert die neuen Rahmenbedingungen für psychoanalytische Behandlungen und Psychotherapie.

Das September-/Oktober-Doppelheft der PSYCHE 2019 ist dem Thema »Digitalisierung. Folgen für Psyche und Kultur« gewidmet.

ALESSANDRA LEMMA untersucht die Bildung sexueller Identität im digitalen Zeitalter.
JOHANNES DÖSER betreibt eine (kultur-)psychoanalytische Recherche über den kindlichen Gebrauch des Smartphones.
ELFRIEDE LÖCHEL stellt psychoanalytische Überlegungen zum Subjekt des digitalen Zeitalters an.
SHERRY TURKLE hinterfragt die Implikationen für den Körper in einer Welt, in der sich immer mehr Menschen auf »Empathie-Maschinen« stützen.
VERA KING, BENIGNA GERISCH, HARTMUT ROSA, JULIA SCHREIBER, CHARLOTTE FINDEIS, DIANA LINDNER, BENEDIKT SALFELD, MICHA SCHLICHTING, MAIKE STENGER & STELLA VOIGT gehen den psychischen Bedeutungen des digitalen Messens, Zählens und Vergleichens nach.
MARTIN ALTMEYER versucht unter dem Stichwort der »Resonanz« eine Zeitdiagnose der digitalen Moderne.
JÜRGEN HARDT sieht die Psychoanalyse im Widerstreit mit der digitalen Welt.
JÜRGEN THORWART entwickelt Anmerkungen zu ethischen Fragen der Nutzung digitaler Kommunikationsmedien.

Bibliographische Angaben


1. Auflage, Erscheinungstermin: 03.09.2019, 250 Seiten, kartoniert
ISSN print: 0033-2623 / ISSN digital: 2510-4187
ISBN: 978-3-608-97357-0

Details


Editorial Digitalisierung – Folgen für Kultur und Psyche
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Vera King, Benigna Gerisch
Seite 633 - 643 | doi: 10.21706/ps-73-9-633
Hauptbeitrag
Der schwarze Spiegel
Sexuell werden im digitalen Zeitalter

Die Autorin untersucht die Auswirkungen des Gebrauchs der neuen Technologien wie Internet und Smartphone auf die psychische Entwicklung, insbesondere der sexuellen Identität und der Geschlechtsidentität während der Adoleszenz, sowie auf die Interaktionen im analytischen Raum. Ihre Thesen konkretisiert sie an der Fallvignette einer 17-jährigen Adoleszenten, die in Behandlung kam, nachdem ihre Eltern sie bei ihrem gewohnheitsmäßigen intensiven Internet-Pornographie-Konsum ertappt hatten.

The author examines the effects of the use of new technologies such as the Internet and smartphones on psychological development, in particular sexual identity and gender identity during adolescence, and on interactions in analytical space. She concretizes her theses on the case vignette of a 17-year-old adolescent who came into treatment after her parents caught her in her habitual intensive Internet pornography consumption.

L’auteure examine les effets de l’utilisation des nouvelles technologies tels qu’internet et les smartphones sur le développement psychique, en particulier sur l’identité sexuelle et l’identité de genre pendant l’adolescence, et sur leurs interactions dans l’espace analytique. Elle illustre sa thèse à partir du cas d’une adolescente de 17 ans qui a suivi une thérapie après avoir été surprise par ses parents qui ont découvert qu’elle avait l’habitude de consulter compulsivement des sites pornographiques sur internet.

Schlagworte: Pornographie, Adoleszenz, Körper, Internet, body, Adolescence, pornography, sexual identity, sexuelle Identität, identité sexuelle , pornographie , internet , corps 
Formate: pdf, html
Alessandra Lemma
Seite 644 - 672 | doi: 10.21706/ps-73-9-644
transitional object 5.0
Eine (kultur-)psychoanalytische Recherche über den kindlichen ­Gebrauch des Smartphones

Ausgehend von der Beobachtung, dass das Smartphone das hauptsächliche Interface zum Cyberspace des Internets geworden ist und das Subjekt auf eine neue und beispiellose Weise vergesellschaftet, entwickelt der vorliegende Beitrag unter Rückgriff auf Fallvignetten aus der Kinderanalyse (kultur-)psychoanalytische Überlegungen zum Smartphone als Objekt in der Psyche des Kindes und des Erwachsenen.

Starting from the observation that the smartphone has become the main interface to the cyberspace of the Internet, which socializes the subject in a new and unprecedented way, the present contribution develops (cultural) psychoanalytical considerations on the smartphone as an object in the psyche of the child and the adult using case vignettes from child analysis.

Partant du constat que le smartphone est devenu l’interface principale du cyberespace d’internet et qu’il socialise le sujet de manière inédite, l’article se fonde sur des analyses d’enfants pour proposer des considérations psychanaly-tiques sur le smartphone comme objet dans le psychisme de l’enfant et de l’adulte.

Schlagworte: Smartphone, Cyberspace, Kinderanalyse, Übergangsobjekt, child analysis, transitional object, smartphone , objet transitionnel , analyse d’enfant , cyberespace
Formate: pdf, html
Johannes Döser
Seite 673 - 697 | doi: 10.21706/ps-73-9-673
»Sprache des Abwesenden«
Psychoanalytische Reflexionen zum Subjekt des digitalen ­Zeitalters

Der Beitrag plädiert dafür, psychoanalytische Erfahrung, psychoanalytisches Denken und psychoanalytische Methoden in die interdisziplinäre Forschung zur Digitalisierung einzubringen. Er schlägt insbesondere einen Dialog mit der Medientheorie vor und zeigt Schnittstellen zu dieser auf. In einem kurzen historischen Abriss wird daran erinnert, in welcher Weise psychoanalytische Ansätze seit den Anfängen sozial-, kultur- und medienwissenschaftlicher Untersuchungen zu Computer und Internet involviert waren. Verschiedene psychoanalytische Diskurslinien werden beschrieben und diskutiert; im Zentrum steht die Frage, ob es Grund gibt zu der Annahme, dass sich im kulturellen Prozess der Digitalisierung wesentliche Strukturen der Subjektivierung verändern, bzw. wie man diese Annahme mit psychoanalytischen Mitteln untersuchen kann.

The article advocates the inclusion of psychoanalytic experience, psychoanalytic thinking, and psychoanalytic methods in interdisciplinary research on digitization. One specific recommendation is closer contact with media theory. The author indicates common ground between the two disciplines. There follows a brief historical overview of the ways in which psychoanalytic approaches have been involved from the outset in investigations undertaken by the social sciences, cultural studies, and media sciences on computers and the internet. Various psychoanalytic lines of discourse that have emerged in the course of such joint ventures are described and discussed. The central issue is (a) whether we have grounds to assume that the cultural process of digitization involves changes in essential subjectivization structures, and (b) how this assumption can be investigated with psychoanalytic resources.

L’article plaide pour l’intégration de l’expérience psychanalytique, de la pensée psychanalytique et des méthodes psychanalytiques dans la recherche interdisciplinaire sur la numérisation. Il propose en particulier un dialogue avec la médialogie et met en lumière les interfaces avec celle-ci. Une rétrospective historique fait ressortir comment la psychanalyse a été impliquée dès le départ dans la recherche sur les ordinateurs, internet et leurs effets sur la société, la culture et les médias. Divers discours psychanalytiques apparus depuis lors sont décrits et discutés. La question centrale est de savoir s’il y a lieu de supposer que les structures essentielles de la subjectivation changent dans le processus culturel de la numérisation, ou plus exactement comment cette hypothèse peut être étudiée en utilisant des méthodes psychanalytiques.

Schlagworte: Symbolisierung, Medientheorie, symbolization, Abwesenheit, absence, Subjektkonstitution, subject constitution, media theory, constitution du sujet , théorie des médias , symbolisation 
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Elfriede Löchel
Seite 698 - 725 | doi: 10.21706/ps-73-9-698
Empathie-Maschinen
Der vergessene Körper

Die Autorin erforscht die Nutzung digitaler Geräte wie Smartphones und Computer; »Entkörperung«, »Flucht vor dem Gespräch« und Aufspaltung der Aufmerksamkeit versteht sie als deren Folgen. Sie hinterfragt die Implikationen für den Körper in der Analyse in einer Welt, in der immer mehr Menschen lieber texten als sich persönlich zu unterhalten: Die Analyse via Skype erscheint zunehmend normal, doch ist diese Art der Normalisierung erstrebenswert? Betrachtet werden auch die Auswirkungen auf den Körper, wenn Menschen offen für die Interaktion mit Maschinen werden, als ob diese mit dem Reichtum der menschlichen Erfahrung ausgestattet wären. Dies ist relevant für die Zukunft der Psychotherapie, in der derzeit der Einsatz automatisierter Therapeuten vorgeschlagen wird: Der Gebrauch von automatisierten Programmen als Therapeuten bringt das Risiko mit sich, in den unkörperlichen Bereich eines »Als ob« einzutreten und andere Menschen so zu behandeln, als wären sie ebenfalls unkörperlich.

The author explores the disembodiment that is at the heart of the »flight from conversation« and splitting of attention in the use of digital devices. She questions the implications for the body in psychoanalysis in a world in which increasingly more people would rather text than converse face-to-face. It »normalizes« analysis by Skype, but should this be normalized? Additionally, she looks at the implications for the body when we become open to interacting with machines »as if« they were embodied with the richness of human experience. This is relevant to the future of psychotherapy, a future in which automated therapists are currently proposed. Turkle describes that when we are tempted by automated programs as therapists, we risk entering into the disembodied realm of the »as if,« and also risk treating other humans as if they too were disembodied.

L’auteure se penche sur l’utilisation des appareils numériques tels que les smartphones et les ordinateurs. Selon elle, ces appareils entraînent la « désincarnation », le « refus des échanges » et la déconcentration. Elle s’interroge quant à leurs effets sur le corps dans l’analyse alors que nous vivons dans un monde où de plus en plus de gens préfèrent échanger par SMS plutôt que de se parler : l’analyse via Skype est « normalisée », mais l’analyse doit-elle être normalisée ? Elle examine également les réactions du corps lorsque les gens s’ouvrent à l’interaction avec les machines comme si ces dernières étaient dotées de la richesse de l’expérience humaine. Cette situation est déterminante pour l’avenir de la psychothérapie, qui propose actuellement le recours à des thérapeutes automatisés : l’utilisation de programmes automatisés comme thérapeutes comporte le risque d’entrer dans le domaine désincarné du « comme si » et de traiter les autres comme s’ils étaient également désincarnés.

Schlagworte: Empathie, Körper, Maschinen, body, empathy, Smartphones, Skype, machines, corps , empathie , machines , smartphone 
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Sherry Turkle
Seite 726 - 743 | doi: 10.21706/ps-73-9-726
Psychische Bedeutungen des digitalen Messens, Zählens und Vergleichens

Im vorliegenden Beitrag geht es – angesichts der enormen gesellschaftlichen Verbreitung von Quantifizierungstechniken und -imperativen im digitalen Zeitalter – um psychische Bedeutungen des digitalen Messens, Zählens und Vergleichens und um die Faszination für diese Operationen. Mit Blick auf eine sozio- und psychoanalytisch ausgerichtete Hermeneutik der Zahl werden erste Ergebnisse des Forschungsprojekts »Das vermessene Leben« erörtert. Eine der zentralen Fragen ist dabei, wie sich Merkmale digitaler Quantifizierung mit psychischen Dispositionen verbinden, spezifische Bewältigungs- und Abwehrmuster auslösen oder welche Rolle etwa die Externalisierung von Affekt- oder Norm-Regulationen spielt. Schließlich wird nachgezeichnet, wie daraus neue Konstellationen und kulturelle Vorstellungen von Normalität und Pathologie hervorgehen können.

In our digital age, the scale of the quantification techniques and imperatives operative in society has reached an all-time high. With this in mind, the article examines the psychic significances of measurement, counting, and comparison and the fascination exerted by these operations. In the framework of a hermeneutics of numbers geared to social analysis and psychoanalysis, the initial results of the ongoing research project »Mea­suring Life« are discussed. One of the central issues here is the way in which features of digital quantification combine with psychic dispositions, how they trigger specific coping and defense patterns, and the role played by the externalization of affect or norm regulation. In conclusion, the authors outline the paths by which these processes can lead to new constellations and cultural notions of normality and pathology.

L’article étudie, étant donnée la vaste diffusion sociale des techniques et des impératifs de quantification à l’ère numérique, les significations psychologiques de la mesure, du comptage et de la comparaison numériques ainsi que la fascination pour ces opérations. Les premiers résultats du projet de recherche « la Vie mesurée » sont discutés en vue d’une herméneutique des nombres axés sur la sociologie et la psychanalyse. L’une des questions centrales ici est de savoir comment les caractéristiques de la quantification numérique sont liées aux dispositions psychologiques, comment des modèles spécifiques d’adaptation et de défense sont déclenchés, ou quel rôle joue l’externalisation des régulations des affects ou des normes. Les auteurs étudient enfin comment de nouvelles constellations et conceptions culturelles de la normalité et de la pathologie peuvent apparaître.

Schlagworte: Digitalisierung, Optimierung, digitization, optimization, Quantifizierung, Messen, Zählen, Vergleichen, quantification, measurement, counting, comparison, quantification , numérisation , optimisation , mesure , comptage , comparaison
Formate: pdf, html
Vera King, Benigna Gerisch, Julia Schreiber, Hartmut Rosa, Charlotte Findeis, Diana Lindner, ­Benedikt Salfeld, Micha Schlichting, Maike Stenger, Stella Voigt
Seite 744 - 770 | doi: 10.21706/ps-73-9-744
It’s over/It never began
Aggressive Akte der Selbst- und Fremdstigmatisierung in ­männlichen Internet-Subkulturen*

Der vorliegende Artikel beleuchtet Variationen selbststigmatisierender und zugleich selbstkonstituierender Akte männlicher Internet-Subkulturen. Allen Akten gemeinsam ist ihre Nähe zu Schmutz und Fäkalien. Die Analyse des Autors bewegt sich systematisch von den »Computerfreak«-Milieus der frühen 2000er Jahre über die sogenannten »Pickup-Artists« (Frauenverführungskünstler) und Online-Männerrechtsgruppen hin zu den »Incels« (Akronym für »involuntary celibate«: unfreiwillig sexuell enthaltsam) – der extremsten Variante dieser Subkulturen. Dabei dient Donald Meltzers Studie über den anal-masturbatorischen Charakter als heuristische Folie; mit ihr lässt sich die konstitutive Relevanz der analen Sexualität für die im Internet sich differenzierenden Maskulinitäten und deren »Frauen-Feind-Bilder« herausarbeiten. So lässt sich beobachten, wie Computerfreak-Milieus im Netz ironisch mit dem Stigma der analen Vorgeschlechtlichkeit spielen, die Männerrechts- und Incelgruppen jedoch das Spielerische im Umgang mit diesem Stigma weitestgehend verloren und eine (auto-)aggressive Identifikation mit ihm entwickelt haben. Übergreifend zeigt die Analyse, wie die spezifische Netzwerkstruktur des Internets, die Funktionsweisen des Digitalen sowie dessen kommerzielle Nutzung auch permanente »Überbietung« und Extremisierung begünstigen.

This article sheds light on variations of self-stigmatising and, at the same time, self-constitutive acts in male subcultures on the Internet. These acts share an uneasy proximity to dirt and faeces. The author’s analysis moves systematically from the nerd and geek milieus of the early 2000s, via the so-called »pickup artists« and men’s rights groups to the Incels, the most extreme variation of these subcultures. »Incel« is an acronym for »involuntary celibate«. Donald Meltzer’s study of the anal-masturbatory character (1966) serves the analysis as a heuristic device. Meltzer sketches the image of a character, who – due to outside pressures – becomes stuck at the anal level of sexual development and takes on a masturbatory pseudo-maturity instead of a fully developed, phallic one. With the help of Meltzer’s study one can work out the central relevance of anal sexuality for the masculinities that differentiate themselves online as well as their conception of woman as the enemy image. Whereas one can see how nerd cultures have been playing with the stigma of anal sexuality in ironic ways, this playfulness becomes lost in the Incel and men’s rights groups where it is replaced by an (auto)aggressive mode of identification with anal-masturbatory characteristics.

Cet article examine les variations des actes autostigmatisants et en même temps autoconstituants des sous-cultures masculines sur internet. Le point commun à tous ces actes est leur proximité dérangeante avec la souillure et les matières fécales. L’analyse de l’auteur passe systématiquement des milieux « mordus d’informatique » du début des années 2000 aux « incels » (acronyme de « célibat involontaire »), la variante la plus extrême de ces sous-cultures, en passant par les « pick-up artists » et les groupes défendant sur internet les « droits des hommes ». L’étude de Donald Meltzer sur le caractère du masturbateur anal sert de feuille de route heuristique ; elle permet de saisir l’importance constitutive de la sexualité anale pour les masculinités « différentes » sur internet et leur image de la « femme comme ennemie ». On peut ainsi observer comment les milieux des mordus de l’informatique sur le net jouent ironiquement avec le stigmate de la présexualité anale, alors que les groupes de défense des droits des hommes et les incels ont dans une large mesure renoncé au jeu face à ce stigmate et ont développé une identification (auto-) agressive avec lui. L’analyse montre par ailleurs comment la structure spécifique du réseau internet, le fonctionnement de l’espace numérique et son utilisation commerciale favorisent également la « surenchère » permanente et la montée aux extrêmes.

Schlagworte: Internet, Männlichkeit, Stigmatisierung, masculinity, stigmatization, Subkulturen, anale Sexualität, subcultures, anal sexuality, internet , stigmatisation , sous-cultures , masculinité , sexualité anale 
Formate: pdf, html
Steffen Krüger
Seite 771 - 800 | doi: 10.21706/ps-73-9-771
Auf der Suche nach Resonanz
Entwurf einer Zeitdiagnose der digitalen Moderne

Der Autor entwirft eine zeitdiagnostische Analyse der digitalen Moderne, in der sich mit der sozialen Lebenswelt auch das Seelenleben der Menschen verändert. Gegen einen modernekritischen, auch in der Psychoanalyse verbreiteten Kulturpessimismus wird auf das Neue verwiesen, das in der globalisierten Mediengesellschaft entsteht und verstanden werden will: ein Strukturwandel der Öffentlichkeit, der den medialen Narzissmus demokratisiert und ein Strukturwandel des Seelenlebens, in dessen Verlauf sich die zeitgenössische Psyche modernisiert. In einem Rückblick wird die Geschichte der Theorie vom Sozialcharakter nachgezeichnet, der sich im 20. Jahrhundert von der neurasthenischen Persönlichkeit über den autoritären Charakter bis zum narzisstischen Sozialisationstyp gewandelt hat. Diese zeitdiagnostische Tradition einer engen Verbindung von Psycho- und Soziopathologie setzt sich im 21. Jahrhundert fort. Unter Verwendung von Winnicotts Paradoxien des Selbst wird schließlich aus den Phänomenen der Gegenwartskultur eine mediale Identitätsformel herauspräpariert, die an eine entwicklungspsychologische Identitätsformel andocken kann: Ich werde gesehen, also bin ich.

The author proposes a diagnostic contemporary analysis of digital modernity in which changes in the social life-world are mirrored by changes to the human psyche. In psychoanalysis and elsewhere, criticism of modernity and general cultural pessimism are widespread. Instead of chiming in with these laments, the author points to features of globalized media society that are new and urgently need to be understood for what they are. These are (1) a structural change in the public sector that democratizes media narcissism and (2) a structural change in the psychic sector in the course of which the contemporary mind is modernized. Next, the article outlines the history of the theory of social character, which in the course of the 20th century has progressed from the neurasthenic personality to the authoritarian character and finally to the narcissistic socialization type. This tradition of close connections between psychopathology and sociopathology continues in the 21st century. Drawing upon Winnicott’s paradoxes of the self, the author finally distils from the phenomena of present-day culture a media-related identity formula compatible with a developmental identity formula: I am seen, therefore I am.

L’auteur esquisse un diagnostic de la modernité numérique. Celle-ci transforme la vie psychique autant que la vie en société. À l’opposé d’un pessimisme culturel critique de la modernité, également répandu dans la psychanalyse, l’article insiste sur la nouveauté que représente la société médiatique mondialisée. Cette nouveauté doit être comprise à la fois comme un changement structurel dans la sphère publique, qui démocratise le narcissisme médiatique, et comme un changement structurel dans la vie psychique, qui modernise le psychisme contemporain. Rétrospectivement, il apparaît que l’histoire de la théorie du caractère en société est passée au cours du XXe siècle de la personnalité neurasthénique au caractère autoritaire pour aboutir à un type de socialisation narcissique. Cette tradition d’un diagnostic qui établit un lien étroit entre la psychopathologie et la sociopathologie s’est poursuivie au XXIe siècle. Les paradoxes du Self de Winnicott permettent d’élaborer à partir des phénomènes de la culture contemporaine une formule d’identité médiatique qui peut s’arrimer à une formule d’identité issue de la psychologie du développement : je suis vu, donc je suis.

Schlagworte: Narzissmus, Digitalisierung, Zeitdiagnose, narcissism, digitization, Resonanz, resonance, contemporary diagnosis, numérisation, numérisation , résonance , diagnostic de l’époque , narcissisme 
Formate: pdf, html
Martin Altmeyer
Seite 801 - 825 | doi: 10.21706/ps-73-9-801
Psychoanalyse im Widerstreit mit der digitalen Welt

Ausgehend von der Diagnose einer digitalen Durchdringung der Welt skizziert der Autor an drei »Fällen«, welche Auswirkungen sie auf das Selbstverständnis und das Denken der Akteure habe. Um die Psychodynamik des Digitalen besser erfassen zu können, rekurriert er auf Descartes’ jugendliche Intuition einer modernen mathematischen Wissenschaft: Bei ihm enthülle sich das Faszinosum einer »Mathesis Universalis«, die er als Methode – auch zur Lösung seiner Lebensproblematik – enthusiastisch aufnahm. Die Digitalisierung der Welt verdankt ihren Erfolg der grundlegend binär-unendlichen Logik und der damit verbundenen Leugnung der Triangularität, so der Autor. So meine die digitale Welt von den Gesetzen des Lebens frei zu sein und sich über sie hinwegsetzen zu können.

Proceeding from the all-pervading digitization of the world, the author draws upon three »cases« to outline the consequences this has on the identity and the thinking of the actors. To achieve a better grasp of the psychodynamics of digitalism, he refers his readers back to Descartes’ youthful intuition about a modern mathematical science. He was fascinated by the prospect of a »mathesis universalis« that he enthusiastically availed himself of as a method suitable not least for coming to terms with the problems of his own life. The digitization of the world owes its success to the binary/infinite logic it is based on and the attendant denial of triangularity. Thus the digital world imagines itself to be free of the laws of life, which it accordingly no longer needs to abide by.

L’imprégnation numérique du monde sert de point de départ à l’étude de trois « cas » et à la description de ses effets sur la compréhension de soi et la pensée des acteurs. Pour mieux saisir la psychodynamique du numérique, l’article se réfère à l’intuition chez le jeune Descartes d’une science mathématique moderne. Descartes était fasciné par une « Mathesis universalis » qu’il utilisa avec enthousiasme comme méthode, y compris pour résoudre la problématique de son existence. La numérisation du monde doit son succès à la logique binaire fondamentalement infinie et donc à la négation de la triangulation qui en découle. Ainsi, le monde numérique se croit libéré des lois de la vie et capable de les ignorer.

Schlagworte: Digitalisierung, digitization, Generationenfolge, Kulturtransformation, Digitalismus, sequence of generations, transformation of culture, digitalism, succession des générations , transformation culturelle , numérisation
Formate: pdf, html
Jürgen Hardt
Seite 826 - 851 | doi: 10.21706/ps-73-9-826
Psychoanalyse und Internet
Anmerkungen zu ethischen Fragen der Nutzung digitaler Kommunikationsmedien

Mit dem Anfang der 1990er Jahre für kommerzielle Zwecke entwickelten World Wide Web hat die Nutzung digitaler Kommunikationsmedien rasant zugenommen; deren Einsatz ist zu einem Massenphänomen geworden. Das hat erhebliche Auswirkungen auf das Gesundheitswesen, die Psychotherapie und nicht zuletzt auch die Psychoanalyse. Neben der grundsätzlichen Frage nach dem gesellschaftlichen Umgang mit Gesundheits- bzw. Krankheitsdaten, dem Persönlichkeitsrecht der Bürger sowie dem Datenschutz bei der Nutzung digitaler Medien stellen sich auch grundlegende ethische Fragen in der Psychotherapie und in der Psychoanalyse. Unabdingbar für die implizite Ethik der Psychoanalyse bzw. der psychoanalytisch begründeten Verfahren ist der geschützte therapeutische Raum, dessen Vorhandensein (nach innen und außen) überhaupt erst ermöglicht, vor- und unbewusstes Material zu untersuchen. Auch wenn die digitale therapeutische Kommunikation geeignet ist, bei Analytiker und Analysand das Phantasma der Omnipräsenz zu befördern, greift die radikale Ablehnung ihres Einsatzes zu kurz. Umgekehrt muss man sich der Frage stellen, ob und wie das, was Psychoanalyse ausmacht, im »Bereich des Virtuellen« bzw. mit den Mitteln digitaler Kommunikationsmedien möglich ist.

The World Wide Web was devised for commercial purposes early in the 1990s. Since then, the use of digital communication media has increased out of all recognition and has turned into a mass phenomenon. This has considerable repercussions on the health system, psychotherapy, and not least psychoanalysis. Alongside the fundamental issues of the way a society making use of the digital media deals with health/illness data, citizens’ personality-related rights, and data protection, there are also essential ethical questions arising from this constellation in psychotherapy and psychoanalysis. Indispensable for the implicit ethic of psychoanalysis and psychoanalytically oriented procedures is the protective therapeutic space without which (both internally and externally) it is impossible to explore pre- and un-conscious material. Even if digital therapeutic communication on both sides (analyst and analysand) encourages the fantasm of omnipresence, merely rejecting it out of hand is not enough. The real issue is whether and how the core nature of psychoanalysis can function in the »virtual sector« and/or with the resources provided by digital communication media.

Avec le développement du Web à des fins commerciales au début des années 1990, l’utilisation des moyens de communication numériques a rapidement augmenté et leur utilisation est devenue un phénomène de masse. Cela a eu un impact considérable sur la santé publique, la psychothérapie et même la psychanalyse. Outre la question fondamentale de savoir comment la société traite les données relatives à la santé et à la maladie, les droits des citoyens et la protection des données dans l’utilisation des médias numériques, des questions éthiques fondamentales se posent également en psychothérapie et en psychanalyse. L’espace thérapeutique protégé est indispensable à l’éthique implicite de la psychanalyse et des procédures psychanalytiques, son existence (interne et externe) est la seule façon de rendre possible l’examen du matériel préconscient et inconscient. Même si la communication thérapeutique numérique des deux côtés (analyste et analysant) est apte à promouvoir le fantasme de l’omniprésence, le rejet radical de son utilisation est insuffisant. Inversement, il faut se demander si et comment la psychanalyse est possible dans le « monde virtuel » ou avec les moyens de communication numériques.

Schlagworte: Ethik, Digitalisierung, Internet, digitization, therapeutic framework, ethics, therapeutischer Rahmen, numérisation , internet , éthique , cadre thérapeutique , cadre éthique
Formate: pdf, html
Jürgen Thorwart
Seite 852 - 878 | doi: 10.21706/ps-73-9-852

Inhaltsverzeichnis


DIE BEITRÄGE

ALESSANDRA LEMMA
Der schwarze Spiegel. Sexuelle Identitätsbildung im digitalen Zeitalter

JOHANNES DÖSER
»transitional object 5.0«. Eine (kultur-)psychoanalytische Recherche über den kindlichen Gebrauch des Smartphones

ELFRIEDE LÖCHEL
»Sprache des Abwesenden«. Psychoanalytische Reflexionen zum Subjekt des digitalen Zeitalters

SHERRY TURKLE
Empathie-Maschinen. Der vergessene Körper

VERA KING, BENIGNA GERISCH, HARTMUT ROSA, JULIA SCHREIBER, CHARLOTTE FINDEIS, DIANA LINDNER, BENEDIKT SALFELD, MICHA SCHLICHTING, MAIKE STENGER & STELLA VOIGT
Psychische Bedeutungen des digitalen Messens, Zählens und Vergleichens

STEFFEN KRÜGER
Aggressive Akte der Fremd- und Selbststigmatisierung in männlichen Internet-Subkulturen

MARTIN ALTMEYER
Auf der Suche nach Resonanz. Eine Zeitdiagnose der digitalen Moderne

JÜRGEN HARDT
Psychoanalyse im Widerstreit mit der digitalen Welt

JÜRGEN THORWART
Psychoanalyse und Internet. Anmerkungen zu ethischen Fragen der Nutzung digitaler Kommunikationsmedien

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