»Dieser Roman hat das Zeug zu einem Kultbuch.«
Kathrin Fischer (Hessicher Rundfunk, 8.8.2005)
Gerald Samper lebt in der Toskana. Er ist Ghostwriter für reiche B-Promis. Doch sein Ehrgeiz ist, als Créateur erlesener Speisen in die Geschichte einzugehen. Seine Rezepte sind eigenwillig: Muscheln in Schokolade, Knoblauch- und Fernet-Branca-Eis, Fischotter mit Dörrpflaumen und Rhabarber.
Eines Tages wird seine Einsamkeit von einer neuen Nachbarin gestört. Die stattliche Marta ist - in seinen Augen - eine vulgäre Person aus einer dieser ehemaligen Sowjetrepubliken, in denen es nur so von Gangstern wimmelt. Aber, so behauptet sie, sie ist Komponistin von Filmmusik. Gerald glaubt kein Wort.
Die gespannten nachbarlichen Beziehungen, wechselweise aus Martas und Geralds Sicht kommentiert, gründen von Anfang an auf Mißverständnissen, eskalieren und nehmen immer groteskere Formen an. Schwarze Helikopter in der Nacht, sentimentale Musik aus Martas obskurer Heimat, und immer Fernet-Branca. Mit entsprechenden Folgen. Geralds Versuche, seine Einsamkeit zurückzuerlangen, scheitern. Im Gegenteil. Eine Katastrophe ist unvermeidlich ...
Mit diesem spritzigen Unterhaltungsroman in der Traditon der großen komischen Autoren ist Hamilton-Paterson ein Meisterstück gelungen, witzig, aber nie seicht, beißend, aber nie gemein, prallvoll mit Einfällen - und mit Rezepten. Ein kulinarischer Genuß.
Gerald Sampers berühmtes Knoblauch-Fernet-Branca-Eis:
15 große Knoblauchzehen
150 g Kristallzucker
4 EL kalte Schlagsahne
150 g Fernet-Branca
Geben Sie die Knoblauchzehen und den Zucker in einen Mixer, und gießen Sie den Rest einer Flasche Fernet-Branca darüber. Vermischen Sie dies mit steifgeschlagener Sahne. Ein ansprechender heller Braunton entsteht, und die Knoblauchnote treibt Ihnen Tränen in die Augen. Hervorragend.
Ach ja, und ein oben eingedrücktes Fenchelzweiglein macht sich optisch gut.
Bisher von Hamilton-Paterson bei Klett-Cotta erschienen:
- Wasserspiele
- Drei Meilen tief
- Seestücke
- JayJay
- Der Traum des Gerontius
Leseprobe
1
Wenn Sie es nicht vermeiden können, im Sommer auf dem Flughafen von Pisa zu landen, werden Sie sich Ihren Weg aus dem Terminalgebäude wahrscheinlich durch hereinströmende Horden sonnenverbrannter Tommys bahnen müssen, die sich zum Rattern der Koffer gegenseitig beharken. Sie sind zwanzig Minuten zu spät für ihren Ryanair-Billigrückflug nach Stansted (»Ich hab gesagt, du sollst die Tasche von deiner Schwester tragen, Crispin, verdammt noch mal, nicht schleifen. Wenn wir diesen Flug verpassen, dann wirst du deines Lebens nicht mehr froh werden, das schwöre ich dir . . .«). Von derlei unangefochten können Sie, sobald Sie glücklich im Freien sind, in aller Ruhe auf dem Langzeitparkplatz in Ihren Wagen steigen und die Autobahn Richtung Norden nehmen, immer den Schildern »Genova« nach. Schon nach zwanzig Minuten fahren Sie an der Ausfahrt Viareggio wieder herunter. Keine Panik: Ihr Ziel ist nicht der Strand, dessen windschiefe Sonnenschirmfelder den langweiligen Küstenstrich meilenweit wie giftgrelle Pilzkolonien überziehen. Nein. Ihr Weg führt Sie schnurstracks landeinwärts durch das Städtchen Camaiore.
Abrupt steigt die Straße in die Apuanischen Alpen an: mächtige Felsen, dicht mit Kastanien bewaldete Hänge und Gipfel im Farbton verwitterten Marmors - woraus sie zum größten Teil auch bestehen. Nach mehreren scharfen Haarnadelkurven kommen Sie in das Dorf Casoli, dessen griesgrämige Ausstrahlung wahrscheinlich daher rührt, daß es alle paar Jahre erleben muß, wie seine Randlagen von winterlichen Erdrutschen ins Tal gerissen werden. Fahren Sie durch und weiter hinauf. Abermals Wald, in den Haarnadelkurven durchbrochen von spektakulären Ausblicken. Renovierte Steinhäuser mit alpenländischem Firlefanz außen dran (Fensterläden mit herzförmigen Löchern), davor BMWs mit bayerischem Kennzeichen. Fahren Sie zu: die Welt hängt Ihnen noch an den Fersen, aber Sie sind im Begriff, sie abzuschütteln. Immer weiter hinauf, bis selbst die blauen Lazzi- Busse mit ihren kollernden Hupen kapitulieren und auf einer eigens asphaltierten Fläche wenden. Unweit dahinter erblicken Sie eine Art Waldweg. Folgen Sie dem hundert Meter, und Sie kommen an einen Fleck, der sich Le Roccie nennt, und das Haus, das ich kurzerhand gekauft habe. Noch kürzerer Hand befleißige ich mich, es bewohnbar zu machen, während ich gleichzeitig für mein täglich Brot ein Buch zu schreiben versuche, eine abstruse Auftragsarbeit, die keine weitere Erwähnung verdient. Die Aussicht jedoch ist phantastisch. Wie wir Briten so gern sagen, die drei wichtigsten Dinge an einem Haus sind die Lage, die Lage und die Lage (position in richtigem Englisch, auch wenn die Amerikaner aus irgendeinem Grund den Ausdruck location benutzen). Die Briten geben das mit einem weltklugen Lächeln von sich wie eine aus jahrelanger Erfahrung und Überlegung gezogene originäre Erkenntnis und nicht wie die abgedroschene Maklerfloskel, die sie in der Kneipe aufgeschnappt haben und einfach wiederkäuen. Was Sie von diesem speziellen Haus auch halten mögen, Sie müssen zugeben, daß es sich vor lauter Lage kaum retten kann. Abgesehen von einem kaum sichtbar zwischen den Bäumen hervorspitzenden Stück Steindach in einiger Entfernung herrscht in allen Richtungen Einsamkeit.
Sind Sie von der Fahrt gar nicht müde? Nein? Ich schon. Ich gedenke daher, etwas Kleines zu kochen, passend zu dem großartigen Panorama, das von der Terrasse aus zu sehen sein wird, sobald das über dem Abgrund hängende prähistorische Plumpsklo beseitigt ist. Malerisch hingebreitete Gebirgszüge. Dazwischen reichlich blaue Luft mit kreisenden Bussarden und einem Fernblick auf Viareggio und das Meer. An einem klaren Tag kann man die kleine Insel Gorgona sehen, an einem richtig klaren Tag, sagt man, Korsika. Also, was darfs sein? Etwas, das marin und doch für gehobene Ansprüche ist, würde ich meinen, zum Zeichen, wie sehr wir die einheimischen frutti di mare schätzen und wie wenig die gemieteten Strandschirme und die Eise. Wie wärs damit:
Muscheln in Schokolade
Es schaudert Sie? Das liegt nur daran, daß Sie in Essensdingen nicht experimentierfreudig sind. (Ihre Samstagabendbesuche im Koh-i-Noor zählen nicht. Heutzutage ist Curry vom Fließband geschmacklich so unverfänglich wie Mozart.)
Zutaten
2 Dutzend frische Muscheln, ausgelöst und gewaschen
Reichlich Olivenöl
Rosmarin
Sojasauce
100 g feingeraspelte Valrhona-Zartbitterschokolade
Sie brauchen eine tüchtige Menge Olivenöl, weil Sie die Muscheln fritieren wollen, und nein, dieses hellgrüne Zeug mit einem handgeschriebenen Pergamentetikett, das es als »Extra- Spezial Verginissimo Olivenöl Erste Pressung« ausweist, ist nicht nötig. Überhaupt, wie soll es so etwas wie Steigerungsstufen der Jungfräulichkeit geben? Olivenölsnobs sind noch schlimmer als Weinsnobs. Viel besser bedient, nicht zuletzt finanziell, sind Sie mit der normalen ortsüblichen Sorte, die auf hergebrachte Art mit Maisöl, Motoröl, grünem Farbstoff usw. verschnitten ist. Sie erhitzen das Öl, bis sich erste Bläschen bilden (bevor es zu sieden beginnt). Werfen Sie eine ordentliche Handvoll frischen Rosmarin hinein. Derweil tunken Sie die Muscheln einzeln in Sojasauce und wälzen sie in der Zartbitterschokolade. (Im Unterschied zum Öl muß die Schokolade von allerbester Qualität sein. Falls Sie auch nur mit dem Gedanken spielen, Cadburys Dairy Milk zu nehmen, sollten Sie die Lektüre dieses Buches auf der Stelle beenden und es einem Kirchenbasar spenden. Sie werden nichts davon haben.) Die Muscheln legen Sie in den Fritierkorb und tauchen sie in das Öl. Genau eine Minute und fünfzig Sekunden später holen Sie sie heraus, lassen sie auf Küchenpapier abtropfen und schütten sie in eine helle Porzellanschüssel, wo ihre satte Mahagonifarbe schön zur Geltung kommt. Hören Sie nur, wie verlockend sie rascheln! Die meisten Leute staunen über das Geräusch, das nicht viel anders ist als das von dürrem Laub in einem Rinnstein. Das kommt von der interessanten Wirkung, die Sojasauce bei hohen Temperaturen auf Schokolade hat. Jetzt schenken Sie sich ein Glas kaltes Nastro-Azzurro-Bier ein und suchen sich, die Muscheln zur Hand, einen Platz, von dem aus das Plumpsklo nicht zu sehen ist. Schauen Sie über Ihr Reich hinaus, und denken Sie an die Ankunftsschlange im Flughafen Stansted, wo der widerborstige Crispin gerade an seiner Schwester Rache nimmt, indem er die Hacken ihrer Turnschuhe heruntertritt. Wohlsein.
»Seine Sätze wirken wie Lachgas, wirken aber auch nach ... Vom Interpretationsfuror lasse sich packen, wer will. Für alle Übrigen gilt: hinsetzen, lesen, geniessen.«
Weltwoche, 1.2.2006
»So leichtfüssig Hamilton-Patersons neuer Roman auch ist, der Autor hat zwei subtil gezeichnete Figuren geschaffen, die einem zwar nicht ans Herz wachsen - dafür sind sie zu blasiert. Doch dass sie einander zum Schluss in einer Art von gedämpftem Happy End doch noch grün werden, nimmt man mit Genugtuung zur Kenntnis. Bis es aber so weit ist, darf man sich an den zahllosen Bosheiten freuen, die die nachbarliche Fehde spicken. ... Und man ergötzt sich an des Autors überaus gut ausgebildetem Sinn für Ironie, an seiner handwerklichen Sorgfalt und seiner sprachlicher Prägnanz, die in der deutschen Fassung von Hans-Ulrich Möhring einmal mehr einen brillanten Gegenpart findet.«
Georg Sütterlin, Neue Zürcher Zeitung, 10.1.2006
»Von James Hamilton-Paterson, 63, dem tollkühnen Experten für maritime Expeditionen, hätte kaum einer seiner Leser eine so übermütige und geistreiche (übrigens glänzend übersetzte) Komödie erwartet. Doch mit den Geschöpfen seines neuen Romans verbindet den Autor der Umstand, dass er ein ähnlich exzentrischer Lebenskünstler ist wie sie. Auf seine Weise gehört er zu den großen Paradiesvögeln der europäischen Gegenwartsliteratur.«
Peter Münder, Spiegel Special 6, Oktober 2005
»... es handelt sich um unwiderstehlichen, allerfeinsten britischen Humor. Keine Ahnung, warum auf englischem Boden so etwas mühelos gedeiht und bei uns nicht. Man liest, versucht Passagen davon vorzulesen, und wischt sich die Lachtränen aus dem Gesicht.«
Annemarie Stoltenberg, Hamburger Abendblatt, 22.10.2005
»Wenn sie aber ein Fan des englischen Humors sind, der ja nicht nur ins Schwarze, sondern vor allem ins unbekümmert Geschmacklose tendiert, dann wird ihnen "Kochen mit Fernet-Branca" gefallen.«
Julia Schröder, Stuttgarter Zeitung, 14.10.2005
»Rasante Handlung, fetzige Sprüche, überraschende Wendungen, durch die Pastamaschine des Lebens genudelte Charaktere und raffinierte Perspektivenwechsel ... überzeugen - "Kochen mit Fernet-Branca" wurde von der Kritik mit Recht als "der witzigste Roman" des Jahres bezeichnet.«
Tip Berlin, 22.9.2005
»James Hamilton-Paterson ist ein spritzig-leichter Roman gelungen, der aber keineswegs seicht zu nennen, sondern richtig komisch ist. Und diesen typisch britischen Humor hat Übersetzer Hans-Ulrich Möhring feinfülig ins Deutsche gerettet.«
Friedrich G. Stern, Nürnberger Zeitung, 14.9.2005
»Dem englischen Romancier gelingt ein hinreißend vergnüglicher, von Hans-Ulrich Möhring mit Verve übersetzter, wunderbarer Roman - sehr süffig!«
Rheinischer Merkur, 25.8.2005
»Das komischste Buch dieses Lesesommers ...
Chapeau, Hans-Ulrich Möhring! Den überbordenden Sprachwitz des Autors in eine adäquate deutsche Form zu bringen, ist eigentlich eine unlösbare Aufgabe. Ihrer Übersetzungskunst sei Dank!«
Bettina Schmidt Sächsische Zeitung, 31.8.2005
»Britischer Humor trifft auf intelligente Gesellschaftsbeobachtung und hemmungslose Fabulierlust. Dieser Roman hat das Zeug zu einem Kultbuch.«
Kathrin Fischer, Hessicher Rundfunk, 8.8.2005
»Hamilton-Paterson veralbert in seinem schrägen Roman hemmungslos alle möglichen Klischees, von der Toskana-Fraktion über New-Age-Gläubige Boygroupstars, Balkan-Gepflogenheiten samt mafiöser Struktur bis hin zum italienischen Kunstkino. Das derzeit beste Rezept gegen schlechte Laune.«
Frankfurter Rundschau, 6.8.2005
»Glücklich, wer seinen Sommerurlaub jetzt noch vor sich hat. Denn er oder sie kann sich noch schnell den gerade erschienen Roman von James Hamilton-Paterson in den Koffer packen. ...
Reichlich Stoff also für britischen Humor, Selbstironie, kleine Anzüglichkeiten und beißende Beobachtungen über das Showbiz. Ein gelungener Hamilton-Paterson-Pie.«
Elke Biesel, Kölner Stadtanzeiger, 30.7.2005
»Eine Komponistin von Filmmusik, ein besessener Gourmet mit einer Vorliebe für exzentrische Gerichte und jede Menge Fernet-Branca - verpassen Sie nicht den witzigsten Roman des Jahres!«
Peter Parker, Sunday Times
»Eine Slapstick-Komödie der Mißverständnisse von einem der größten Romanciers.«
The Guardian