LeseprobeRivarol 2
Antoine Comte de Rivarol, wie er sich nannte, wurde am 26. Juni 1753 zu Bagnols im Languedoc als ältestes Kind von sechzehn Geschwistern geboren; die Familie lebte in beschränkten Verhältnissen. Der Vater, Jean-Baptiste Rivarol, übte verschiedene Berufe aus, darunter den eines Schulmeisters, eines Steuereinnehmers und eines Gastwirtes.
Schon Sainte-Beuve bezeichnete die Ursprunge Rivarols als »inextricable« und meinte damit wohl vor allem den Anspruch auf den Adels- und Grafentitel, der durch das Taufregister nicht gerechtfertigt wird. Es mag sein, daß Rivarol sich diese Qualitäten auf die gleiche Weise zuschrieb wie der Chevalier de Seingalt, der, als er nach der Berechtigung gefragt wurde, sich darauf berief, daß er Herr über die vierundzwanzig Buchstaben des Alphabetes sei. Es mag aber auch sein, daß die Familie, wie Rivarol behauptet, ihre Herkunft dem ausgewanderten Zweige eines alten Genueser Geschlechtes verdankt. Jedenfalls hat Rivarol nicht, wie so mancher andere, auf Kosten seines Namens gelebt, sondern er hat seinen Namen zu Ehren gebracht. Das ist weit seltener. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts, in dem der Adel eine so große Rolle spielte, war man solchen Korrekturen der Visitenkarte gegenüber liberaler als bald danach und als selbst heute noch. Das gab der Gesellschaft jene Flüssigkeit und leichte Eleganz, die seitdem nie wieder erreicht werden sollten und die man einerseits als eines der Vorzeichen ihres Unterganges, andererseits als eine Lockerung der ständischen Fesseln betrachten kann, die nicht nur den persönlichen Umgang vergeistigte, sondern aus der auch die Kunst bedeutenden Nutzen zog.
In dieser Gesellschaft gab der Ruf eines feinen Kopfes oder einer glänzenden Begabung nicht nur unfehlbar Zutritt, sondern auch einen guten Platz in den Salons. Man hat sogar den Eindruck, daß oft der Ruf genügte; und auf solche Beobachtungen mag sich der Ausspruch Rivarols beziehen, daß nichts geleistet zu haben ein gewaltiger Vorteil ist, doch daß man ihn nicht mißbrauchen soll.
Neben Tagesgrößen, Glücksrittern und Abenteurern, die zum Teil glänzend auftraten, begegnete man in dieser vorrevolutionären Gesellschaft auch Trägern von Namen, die noch heute ihren Klang halten. Zu ihnen gehört Rivarol. Innerhalb seiner Zeit gesehen, ist er kein Einzelfall, sondern eine ihrer typischen Erscheinungen.
Nicht minder typisch ist seine Vorgeschichte bis zum ersten Auftreten in Paris, wo er sogleich Beachtung fand. Wie vieler begabter Söhne aus mittellosen Familien nahm sich die Kirche seiner an. Nachdem er verschiedene geistliche Schulen durchlaufen hatte, überall als glänzender Schüler angesehen, beende te er unter der Protektion des Bischofs von Uzès seine Studien im Priesterseminar Sainte-Garde zu Avignon, das er als Abbé verließ. Er bewegte sich damit, wie gesagt, auf einer der üblichen Laufbahnen: auf der des mittellosen Schülers, der früh durch seine Begabung hervorleuchtet. Das ist ein Schlag, aus dem der Klerus sich zu relautieren sucht, selbst wenn er in Kauf nehmen muß, daß mancher seiner Stipendiaten, wie es auch Rivarol tat und wohl tun mußte, in das Weltleben überspringt. Auf gleiche Weise debutierte, um ein Beispiel zu nennen, Chamfort, der häufig mit Rivarol genannt und auch verglichen wird. Stendhal hat daraus ein romantisches Muster gebildet; seine Helden leiden und reifen in der Askese und den Intrigen der geistlichen Vorschule, ehe sie sich dem Heere, der Politik oder der Literatur zuwenden. Die strenge Zucht, verbunden mit Elementarkraft, bringt explosive Wirkungen hervor.
Von Rivarol kann man wenigstens nicht sagen, daß er, wie so mancher andere, die Förderung mit Undank vergolten hat, weshalb man auch Zynismen in dieser Hinsicht, wie man sie bei Chamfort findet, bei ihm vergeblich suchen wird. Hinter seinen Gedanken, wie frei und leicht sie auch geführt werden, verbirgt sich eine solide Ausbildung, sowohl was die Sprache, als auch, was allgemeine Kenntnisse betrifft. Ihr verdankt er seine Vertrautheit mit der antiken Literatur, Geschichte und Mythologie, seine grammatikalischen und etymologischen Neigungen, seine Vorliebe für Geister wie Dante, Pascal und Augustin.