>>»Trauma und moralische Konflikte« erschien im Februar diesen Jahres bei Klett-Cotta Fachbuch. Das Buch beschäftigt sich erstmals im deutschsprachigen Raum mit moralischen Verletzungen bei Einsatzkräften und ihrer Verbindung zu persönlichen Wertorientierungen.
Traumata, Schuld und Behandlungswege: Hier beantwortet Peter Zimmermann aktuelle Fragen rund um moralische Verletzungen mit Bezug auf aktuelle Ereignisse wie den Russland-Ukraine-Krieg.
1. Lieber Herr Zimmermann, jüngst ist Ihr neues Buch »Trauma
und moralische Konflikte« bei Klett-Cotta Fachbuch erschienen – das erste
deutschsprachige Werk zu moralischen Verletzungen. Auch jetzt, während des
Russland-Ukraine-Kriegs, ist das Thema hochaktuell. Was verstehen Sie unter »moralischen
Konflikten bzw. Verletzungen« und wie können sich diese im Kontext des
genannten Konflikts bei den verschiedenen Gruppen (z. B. beim Militär oder
bei JournalistInnen) ausprägen?
In den letzten Jahren konnten wir in der wissenschaftlichen Forschung
feststellen, dass moralische Konflikte insbesondere bei Einsatzkräften oder
auch Opfern gewaltsamer Auseinandersetzungen eine große Rolle spielen. Sie sind
dabei keine direkte Begleiterscheinung von Traumafolgestörungen wie z. B.
der PTBS, sondern stellen ein eigenes Konstrukt dar. Dieses ist sehr
differenziert und umfasst sowohl die Folgen des moralischen Fehlverhaltens
anderer als auch eigener moralischer Fehler. Die an einer gewaltsamen
Auseinandersetzung beteiligten Gruppen, wie Soldaten, JournalistInnen oder auch
direkte Kriegsopfer, weisen ganz unterschiedliche moralische Verletzungsmuster
auf, je nach der erlebten Situation.
2. Inwiefern unterscheiden sich moralische Verletzungen durch das Fehlverhalten
anderer von moralischen Konflikten durch das eigene Fehlverhalten und welche
Bedeutung kommt dem Thema Schuld dabei zu? Können Sie dies an denkbaren
Fallbeispielen zu aktuellen Ereignissen verdeutlichen?
Anhand der in einem gewaltsamen Konflikt betroffenen Gruppen lassen sich die
Folgen verschiedener moralischer Konfliktfelder gut illustrieren: Bei Menschen,
die direkt Opfer gewaltsamer Handlungen geworden sind, man findet sie unter
vielen Geflüchteten, dominiert die moralische Verletzung durch das
Fehlverhalten anderer. Hier musste z. B. hilflos mit angesehen werden, wie
die eigene Wohnumgebung zerstört wurde, vielleicht sogar Angehörige oder
Freunde ums Leben kamen. Einen Grund für diese Geschehnisse können die
Betroffenen in der Regel nicht erkennen, sie reagieren mit Zorn auf die
Verletzung moralischer und religiöser Standards, die den Schutz von Leben und
Eigentum anderer beinhalten. Dieser Zorn kann zum jahrelangen Begleiter werden
und das tägliche Leben dominieren, z. B. durch Reizbarkeit oder sozialen
Rückzug. Auf ähnliche Weise können Menschen reagieren, die Derartiges als
mittelbar Betroffene bzw. Zeugen erleben. Dazu gehören auch JournalistInnen.
Bei SoldatInnen kommt häufig ein weiteres Thema hinzu: sie haben selbst Dinge
getan, die sie im Nachhinein als moralisch verwerflich bewerten, z. B.
Menschen verletzt oder getötet oder anderen in der Not nicht helfen können.
Dies führt zu Schuldgefühlen. Und wenn diese nicht durch Wiedergutmachung
abgemildert werden können, kommt es in einem zweiten Schritt zu der Entwicklung
von Scham, das heißt zu einer Veränderung der Persönlichkeit, die mit Zweifeln
einhergeht, ein wertvoller, liebenswerter Mensch zu sein. Diese wiederum hemmen
die Entfaltung im täglichen Leben. In letzter Konsequenz kann suizidales
Verhalten die Folge sein.
3. Welche Wege schlagen Sie zur Behandlung dieser moralischen Konflikte und
unterschiedlichen Traumata – z. B. auch bei ukrainischen Kriegsgeflüchteten –
vor und inwiefern bietet »Trauma und moralische Konflikte« hier, z. B.
mittels der beiden enthaltenen Schritt-für-Schritt-Manuale, Hilfestellungen?
In den letzten Jahren sind eine Reihe von therapeutischen Ansätzen für die
Behandlung moralischer Konflikte entwickelt und erprobt worden, im Regelfall in
der englischsprachigen Literatur. Das vorliegende Buch »Trauma und moralische
Konflikte« gibt eine theoretische Einführung und fasst die verfügbaren Ansätze
zusammen. Die Besonderheit besteht darin, dass als Bestandteil des Buches zwei
Manuale konzipiert wurden, die die vorhandenen Erkenntnisse in einem
strukturiert aufeinander aufbauenden curricularen Ablauf integrieren. Man kann
buchstäblich direkt mit der Arbeit beginnen, zum einen in der Prävention vor
und nach einem Ereignis, zum zweiten auch in der therapeutischen Arbeit mit
bereits Erkrankten. Der zentrale Blickwinkel ist auf Einsatzkräfte gerichtet, z. B.
Polizei, Feuerwehr oder Militär. Aber auch für die Arbeit mit Geflüchteten
bieten sich vielfältige Anregungen.
Peter Zimmermann, Prof. Dr. med., ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Traumatherapeut und Gruppenanalytiker. Er leitet das ...
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