Jubiläum: Zehn Jahre Wissen & Leben

Interview mit Wulf Bertram: »10 Jahre Wissen & Leben«

Interview mit Wulf Bertram: 10 Jahre »Wissen & Leben«

Dieses Jahr wird die Reihe „Wissen & Leben“, die Sie 2009 ins Leben gerufen haben, 10 Jahre alt. Mit welchem Gefühl blicken Sie auf diese zehn Jahre und fünfzig publizierte Titel zurück?

Bertram: Natürlich mit Freude, dass das Konzept aufgegangen ist, man könnte auch sagen, dass das Experiment aufgegangen ist. Es war ja gar nicht selbstverständlich, dass im Programm eines primär medizinisch-wissenschaftlich orientierten Fachbuch-Verlages Bücher wahrgenommen werden, die sich an ein größeres Publikum anspruchsvoller Leserinnen und Leser wenden und wissenschaftliche Fakten auf unterhaltsame und gut verständliche Weise vermitteln. Und natürlich mit einem Gefühl der Dankbarkeit gegenüber den Autorinnen und Autoren, die die Bücher für meine Reihe geschrieben haben. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen stehen ja heute unter einem massiven Publikationsdruck und müssen möglichst viele Veröffentlichungen in Fachzeitschriften liefern, wenn sie in ihrer Karriere weiterkommen wollen. Leider zählt das Verfassen eines Buches, das Wissenschaft für ein breites Publikum verfügbar und verständlich macht, in einer Publikationsliste überhaupt nicht. Insofern ist es für die Autorinnen und Autoren eine zeitraubende Nebenbeschäftigung, die keine wissenschaftlichen Lorbeeren einbringt, die ihnen aber, wie ich gesehen habe, durchaus Spaß macht, weil sie sich mal nicht an die strengen Regeln der Veröffentlichungen aus dem akademischen Elfenbeinturm halten müssen.

Wie kam es zur Entstehung der Reihe?

Bertram: Den Anstoß habe eigentlich gar nicht ich gegeben, sondern ein Autor, der genau das wollte: seine Forschungsergebnisse und Gedanken frei von akademischen Zwängen, aber auf solider wissenschaftlicher Basis für einen interessierten, anspruchsvollen Leserkreis darzustellen und dabei nicht dozieren zu müssen, sondern durchaus auch unterhaltsam und mit einer Prise Humor schreiben zu dürfen. Dieses Beispiel machte dann rasch Schule und es gab erstaunlich viele Autorinnen und Autoren, die einen ähnlichen Gefallen daran fanden, eigene Ideen für ein Buch hatten oder eine meiner Ideen für ein neues Buch in „Wissen & Leben“ aufgegriffen haben. Ein besonderer Schwerpunkt der Reihe liegt auf der Neurowissenschaft und Gehirnforschung, was sicher auch an meinem eigenen Interesse für diesen faszinierenden Bereich liegt.


Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen der Arbeit als Psychotherapeut und als Herausgeber? Kann man von dem einen Bereich etwas für den anderen lernen?

Bertram: Vielleicht am ehesten in der Hinsicht, dass auch in der Psychotherapie verständliche Formulierungen, plastische Beispiele und manchmal auch lehrreiche Geschichten für die eigenen Denk-und Veränderungsprozesse der Patienten hilfreich sind.


Was sind Ihre persönlichen Highlights innerhalb der Reihe?

Bertram: Kennen Sie die Geschichte von den zwei Krawatten, einer grünen und einer roten, die eine Mutter ihrem Sohn schenkt? Sie fragt ihn, welche er schöner findet und der antwortet: „Die rote“. Darauf die Mutter: „Die grüne gefällt dir also nicht!“ In so eine ähnliche Falle möchte ich nicht stolpern. Gute Eltern werden ja auch auf die Frage, welches ihrer Kinder sie am liebsten hätten, nicht antworten wollen. Jedes Kind – jedes Buch – hat seine eigenen, liebenswerten und bemerkenswerten Eigenschaften, das schöne ist das „Konzert“ der gesamten Reihe, die neben dem Unterhaltungswert aus meiner Sicht eine wichtige Funktion erfüllt: nämlich den Nutzen wissenschaftlicher Erkenntnisse für diejenigen verfügbar zu machen, die ein Interesse daran haben und ihnen Denkanstöße oder Anregungen für eine bessere psychische und physische Gesundheit zu geben.


Was wünschen Sie der Reihe „Wissen & Leben“ für die weitere Zukunft
?

Bertram: Zunächst mal, dass sie noch besser sichtbar wird. Es ist verständlich, dass viele Buchhändler erst einmal zögern, Bücher aus einer neuen Reihe in ihre Regale oder gar ins Schaufenster zu stellen. Aber spätestens seit wir mit einem unserer jüngsten Bücher die 10000-Schallmauer durchbrochen haben, dürfte das Interesse des Buchhandels steigen. Wenn das bedeutet, dass die schönen Texte dann noch mehr gelesen werden und ihre Wirkung im Sinne von solider und verlässlicher Information ebenso wie von anspruchsvoller Unterhaltung entfalten können, bin ich glücklich.



Dipl.-Psych. Dr. med. Wulf Bertram, geboren 1948 in Soest/Westfalen und aufgewachsen in Mailand, ist Arzt, Autor und Psychotherapeut in Stuttgart. Er studierte Medizin und Psychologie in Hamburg. Nach Stationen in Arezzo/Italien, Kaufbeuren im Allgäu und München ist er seit 1988 beim Stuttgarter Schattauer-Verlag, zunächst als Wissenschaftlicher Leiter und später als verlegerischer Geschäftsführer.
Mit der Übernahme des Verlagsprogramms durch den Verlag Klett-Cotta 2018 wurde Wulf Bertram zunächst Verlagsleiter des Imprints Schattauer und ist seit Anfang 2019 als Berater des Verlags tätig.
Für seine „wissenschaftlich fundierte Verlagstätigkeit im Sinne des Stiftungsgedankens“ wurde Bertram 2018 der renommierte Egnér-Preis für sein Lebenswerk verliehen.