»Die Pferde haben mir das Leben gerettet« - Interview mit Brigitte Gerhards-Sommer
Pferde sind in der Lage, die Aufmerksamkeit des Menschen zu fesseln, sie sind in ihrer Kommunikation immer eindeutig, direkt, ehrlich und nie wertend. Pferde nehmen den Menschen sehr sensibel in seiner Ganzheit, mit all seinen Signalen auf der nonverbalen Ebene wahr und können uns mit Sanftmut, aber Konsequenz den Spiegel unserer Seele vorhalten. Dies ermöglicht einen ganz anderen Zugang zu unseren Patient:innen und Klient:innen, als in allen anderen Settings.
Nach meinen Erfahrungen haben therapeutische Interventionen, unter Einbezug des Co-Therapeuten Pferd, einen enormen und durchweg positiven Einfluss auf die Entwicklung einer Patient/Klientin und den gesamten therapeutischen Prozess. Die Arbeit mit dem Pferd kann beispielsweise den Aufbau einer tragfähigen therapeutischen Beziehung erleichtern und manchmal sogar erst ermöglichen oder in schwierigen oder festgefahrenen Situationen einer Therapie einzigartige Möglichkeiten und Zugänge für die therapeutische Arbeit bieten, die in anderen Settings so nicht möglich wären.
Die Arbeit mit dem Co-Therapeuten Pferd gestaltet sich immer für alle Seiten als sehr angenehm und freudvoll und ermöglicht so Entwicklung und Veränderung auf fast spielerische Art und Weise.
Bei welchen Störungsbildern kann die Therapie mit dem Pferd eingesetzt werden?
Die Therapie mit dem Pferd wird in der Psychotherapie, in der Reittherapie, im Heilpädagogischen Reiten, in der Hippotherapie, im Reitsport für Behinderte, im Coaching und im Persönlichkeitstraining eingesetzt. Die Reittherapie, das Heilpädagogische Reiten, die Hippotherapie und der Reitsport für Behinderte werden dabei, bei allen Störungsbildern und Problembereichen, ausschließlich gemeinsam mit dem Co-Therapeuten Pferd durchgeführt.
In der Psychotherapie kann die Therapie mit dem Pferd bei nahezu allen Störungsbildern erfolgreich eingesetzt werden.
Ausschlaggebend ist ein Thema innerhalb der Therapie, für das sich die Arbeit mit dem Pferd besonders anbietet. So zum Beispiel in allen Belangen rund um das Thema Selbstsicherheit, welches Selbstwahrnehmung, Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeit, Selbstbewusstsein, Selbstwert, Konfliktbewältigung und Grenzensetzung subsummiert. Auch in der Behandlung von Traumafolgestörungen, von Depressionen und Angststörungen kann das Pferd besonders gut als Co-Therapeut eingesetzt werden.
Können Sie von einem besonderen Erlebnis aus Ihrer beruflichen Praxis berichten?
Es gibt so viele besondere Erlebnisse in meiner beruflichen Arbeit mit den Pferden. Eigentlich ist jede Therapiestunde mit dem Pferd einzigartig und besonders!
Aber natürlich gibt es auch ganz besondere oder auch lustige Erlebnisse, die einem im Gedächtnis bleiben.
So kam einmal eine Patientin nach mehreren Stunden des sozialen Kompetenztrainings zusammen mit dem Pferd in die Stunde und sagte schmunzelnd und sichtlich zufrieden: »Ich habe das mal bei meinem Mann ausprobiert. Es funktioniert!«
Oder eine andere Patientin konnte nach längerer Schmerztherapie auf dem Pferd wieder eine lange Autofahrt zu ihrer Tochter ohne Schmerzen bewältigen.
Eine Angstpatientin sagte einmal, nachdem sie das Pferd alleine durch die Reitbahn steuern konnte: »Jetzt, wo ich auf einem Pferd reiten kann, kann ich auch alles andere!«
Es ist auch immer wieder wundervoll zu sehen, wenn Patientinnen regelrecht einen Meter größer werden, wenn sie das Pferd ohne Strick und Halfter rückwärtsrichten können oder das Pferd ihnen gar, ebenfalls ohne Strick und Halfter, in allen Gangarten willig durch die Bahn folgt.
Nicht zu vergessen die Patientinnen und ein Patient, die nach der Therapie mit dem Pferd glücklich wurden, indem sie das Reiten angefangen haben, bzw. nachdem sie sich sogar in einem Fall ein eigenes Pferd angeschafft hatten.
Aber das berührendste, was eine Patientin nach der Therapie mit den Pferden einmal zu mir gesagt hat, ist: »Die Pferde haben mir das Leben gerettet!«
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