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Drei Fragen an Peter Zimmermann

(»Trauma und moralische Konflikte«)
30.3.2022

>>»Trauma und moralische Konflikte« erschien im Februar diesen Jahres bei Klett-Cotta Fachbuch. Das Buch beschäftigt sich erstmals im deutschsprachigen Raum mit moralischen Verletzungen bei Einsatzkräften und ihrer Verbindung zu persönlichen Wertorientierungen.

Traumata, Schuld und Behandlungswege: Hier beantwortet Peter Zimmermann aktuelle Fragen rund um moralische Verletzungen mit Bezug auf aktuelle Ereignisse wie den Russland-Ukraine-Krieg.

1. Lieber Herr Zimmermann, jüngst ist Ihr neues Buch »Trauma und moralische Konflikte« bei Klett-Cotta Fachbuch erschienen – das erste deutschsprachige Werk zu moralischen Verletzungen. Auch jetzt, während des Russland-Ukraine-Kriegs, ist das Thema hochaktuell. Was verstehen Sie unter »moralischen Konflikten bzw. Verletzungen« und wie können sich diese im Kontext des genannten Konflikts bei den verschiedenen Gruppen (z. B. beim Militär oder bei JournalistInnen) ausprägen?

In den letzten Jahren konnten wir in der wissenschaftlichen Forschung feststellen, dass moralische Konflikte insbesondere bei Einsatzkräften oder auch Opfern gewaltsamer Auseinandersetzungen eine große Rolle spielen. Sie sind dabei keine direkte Begleiterscheinung von Traumafolgestörungen wie z. B. der PTBS, sondern stellen ein eigenes Konstrukt dar. Dieses ist sehr differenziert und umfasst sowohl die Folgen des moralischen Fehlverhaltens anderer als auch eigener moralischer Fehler. Die an einer gewaltsamen Auseinandersetzung beteiligten Gruppen, wie Soldaten, JournalistInnen oder auch direkte Kriegsopfer, weisen ganz unterschiedliche moralische Verletzungsmuster auf, je nach der erlebten Situation.

2. Inwiefern unterscheiden sich moralische Verletzungen durch das Fehlverhalten anderer von moralischen Konflikten durch das eigene Fehlverhalten und welche Bedeutung kommt dem Thema Schuld dabei zu? Können Sie dies an denkbaren Fallbeispielen zu aktuellen Ereignissen verdeutlichen?

Anhand der in einem gewaltsamen Konflikt betroffenen Gruppen lassen sich die Folgen verschiedener moralischer Konfliktfelder gut illustrieren: Bei Menschen, die direkt Opfer gewaltsamer Handlungen geworden sind, man findet sie unter vielen Geflüchteten, dominiert die moralische Verletzung durch das Fehlverhalten anderer. Hier musste z. B. hilflos mit angesehen werden, wie die eigene Wohnumgebung zerstört wurde, vielleicht sogar Angehörige oder Freunde ums Leben kamen. Einen Grund für diese Geschehnisse können die Betroffenen in der Regel nicht erkennen, sie reagieren mit Zorn auf die Verletzung moralischer und religiöser Standards, die den Schutz von Leben und Eigentum anderer beinhalten. Dieser Zorn kann zum jahrelangen Begleiter werden und das tägliche Leben dominieren, z. B. durch Reizbarkeit oder sozialen Rückzug. Auf ähnliche Weise können Menschen reagieren, die Derartiges als mittelbar Betroffene bzw. Zeugen erleben. Dazu gehören auch JournalistInnen. Bei SoldatInnen kommt häufig ein weiteres Thema hinzu: sie haben selbst Dinge getan, die sie im Nachhinein als moralisch verwerflich bewerten, z. B. Menschen verletzt oder getötet oder anderen in der Not nicht helfen können. Dies führt zu Schuldgefühlen. Und wenn diese nicht durch Wiedergutmachung abgemildert werden können, kommt es in einem zweiten Schritt zu der Entwicklung von Scham, das heißt zu einer Veränderung der Persönlichkeit, die mit Zweifeln einhergeht, ein wertvoller, liebenswerter Mensch zu sein. Diese wiederum hemmen die Entfaltung im täglichen Leben. In letzter Konsequenz kann suizidales Verhalten die Folge sein.

3. Welche Wege schlagen Sie zur Behandlung dieser moralischen Konflikte und unterschiedlichen Traumata – z. B. auch bei ukrainischen Kriegsgeflüchteten – vor und inwiefern bietet »Trauma und moralische Konflikte« hier, z. B. mittels der beiden enthaltenen Schritt-für-Schritt-Manuale, Hilfestellungen?

In den letzten Jahren sind eine Reihe von therapeutischen Ansätzen für die Behandlung moralischer Konflikte entwickelt und erprobt worden, im Regelfall in der englischsprachigen Literatur. Das vorliegende Buch »Trauma und moralische Konflikte« gibt eine theoretische Einführung und fasst die verfügbaren Ansätze zusammen. Die Besonderheit besteht darin, dass als Bestandteil des Buches zwei Manuale konzipiert wurden, die die vorhandenen Erkenntnisse in einem strukturiert aufeinander aufbauenden curricularen Ablauf integrieren. Man kann buchstäblich direkt mit der Arbeit beginnen, zum einen in der Prävention vor und nach einem Ereignis, zum zweiten auch in der therapeutischen Arbeit mit bereits Erkrankten. Der zentrale Blickwinkel ist auf Einsatzkräfte gerichtet, z. B. Polizei, Feuerwehr oder Militär. Aber auch für die Arbeit mit Geflüchteten bieten sich vielfältige Anregungen.

 

 

Beteiligte Personen

Pressedienst Bundeswehr

Peter Zimmermann

Peter Zimmermann, Prof. Dr. med., ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Traumatherapeut und Gruppenanalytiker. Er leitet das P...

Peter Zimmermann, Prof. Dr. med., ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Traumatherapeut und Gruppenanalytiker. Er leitet das Psychotraumazentrum der Bundeswehr und lehrt an der Charité in Berlin.

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