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PSYCHE, 1998, Jg. 52, Ausgabe 9-10

PSYCHE, 1998, Jg. 52, Ausgabe 9-10

Psychoanalyse, Kognitionsforschung, Neurobiologie

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Bibliographische Angaben


Erscheinungstermin: 01.09.1998
ISSN print: 0033-2623 / ISSN digital: 2510-4187

Details


Editorial
Editorial
Formate: pdf
Seite 797 - 800
Hauptbeitrag
Gedächtnissysteme und der psychoanalytische Abruf von Trauma-Erinnerungen

Die unzähligen Kontroversen um die Frage des Wiedererinnerns traumatischer Ereignisse, vor allem im Zusammenhang mit sexuellem Mißbrauch, hat Forschung und Therapie in den letzten Jahren sehr beschäftigt und die Annahme eines besonderen traumatischen Gedächtnisses wahrscheinlich gemacht. Auf der Grundlage gegenwärtiger kognitiver Theorien und der Gedächtnisforschung prüft der Autor zwei voneinander unabhängige Gedächtnisformen, die beim Abruf unzugänglicher Trauma-Erinnerungen von Bedeutung sind: das implizite und das explizite Gedächtnis. Beim expliziten Gedächtnis, das auch das autobiographische Gedächtnis umfaßt, geht es um bewußte, willentlich abrufbare Erinnerungen. Beim impliziten Gedächtnis, zu dem das Konzept des besonderen Trauma-Gedächtnisses gehört, geht es um den Teil des »kognitiven Unbewußten«, dessen sprachlich nicht kodierte Inhalte nur im Kontext und im unmittelbaren Vollzug einer aktiven Demonstration zugänglich sind. Der Autor unterzieht die zentralen Grundannahmen, die dem Konzept des traumatischen Gedächtnisses zugrunde liegen – die Dissoziation, die zustandsabhängige Erinnerung und die Entsprechung zugänglicher impliziter Erinnerungen und unzugänglicher expliziter Trauma-Erinnerungen –, einer kritischen Betrachtung und diskutiert die Folgen, die sich daraus für die klinische Praxis ergeben.

Formate: pdf
C. Brooks Brenneis
Seite 801 - 823
Couch im Labor – Experimentelle Erforschung unbewußter Prozesse

Aufgrund unzureichender Kenntnis der Arbeitsweisen des Unbewußten in der Wahrnehmungs, Traum-, Gedächtnis- und Kommunikationstheorie wurde die Weiterentwicklung psychoanalytischer Theorien in der Vergangenheit stark behindert. Auch die neueren Ansätze der Neurowissenschaften (Läsionspsychologie, Neuroimaging) sind nach Ansicht der Autoren nicht in der Lage, diese Defizite zu beheben. Die modernen Ansätze der Kognitionspsychologie hingegen scheinen mit der Psychoanalyse eher kooperieren zu können und Erkenntnisfortschritte zu versprechen. Da aber das »kognitive Unbewußte« der Kognitionspsychologie mit dem »dynamischen Unbewußten« der Psychoanalyse so gut wie nichts gemein hat, sehen Psychoanalytiker sich genötigt, die Forschung beider Disziplinen selbst zu betreiben, und zwar an zwei Orten: einerseits experimentell in Laboratorien, andererseits hermeneutisch hinter der Couch. Nach einer Skizzierung der bisherigen Traum-, Wahrnehmungs- und Gedächtnisforschung in psychoanalytischen Laboratorien beschreiben die Autoren eigene Untersuchungen mit Subliminalisierungsverfahren, die es ermöglichen, optische und akustische Reize in das vorbewußte Processing einzuschleusen. Damit zeigen sie auf, was psychoanalytische Laborforschung methodisch zu leisten vermag: Sie zerlegt Zusammenhängendes, verlangsamt Schnelles und läßt damit Teilvorgänge und Einzelfaktoren hervortreten. Das Experiment wird zum Mikroskop, zur Zeitlupe, wodurch dynamisch unbewußte Prozesse genauer beschrieben werden können.

The Couch in the Lab. Experimental investigation of unconscious processes
In the past, progress in psychoanalytic theory has been greatly hampered by inadequate knowledge of the modes of operations of the unconscious mind on the part of researchers working in perception, dream, memory, and communication theory. The authors contend that the more recent approaches in the neurosciences (lesion psychology, neuro-imaging) are still not in a position to remedy this deficit. By contrast, modern approaches to cognitive psychology appear better able to cooperate with psychoanalysis, thus holding out the promise of genuine progress in our knowledge of this area. However, as the »cognitive unconscious« of cognitive psychology has precious little in common with the »dynamic unconscious« of psychoanalysis, psychoanalysts are constrained to do the research work of both disciplines themselves, and this in two different settings: experimentally in the laboratory, and hermeneutically behind the couch. After outlining the findings in dream, perception , and memory research from psychoanalytic labs, the authors concentrate on the aims and methods of subliminal research. Drawing on their own experiments, they demonstrate what psychoanalytic lab work is able to achieve in methodological terms. It reduces organic wholes to their component parts, decelerates high-speed events and thus resolves part-processes and individual factors. The experiment performs the function of a microscope or a slow-motion camera. Fragmenting coherent entities makes them more susceptible of precise scrutiny.

Formate: pdf
Stephan Hau, Wolfgang Leuschner, Tamara Fischmann
Seite 824 - 849
Intentionalität und Sprachlichkeit in Psychoanalyse und Kognitionswissenschaft

In den letzten Jahren wurden vor allem in den USA »neue Allianzen« zwischen der Psychoanalyse und der Kognitionswissenschaft bzw. der Künstliche-Intelligenz-Forschung gesehen. In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, ob diese Disziplinen genügend Gemeinsamkeiten in ihren Problemstellungen und Lösungsmodellen aufweisen, um solche Allianzen eingehen zu können. Eingehend diskutiert werden vor allem der Status des sogenannten intentionalen Diskurses in Psychoanalyse und Kognitionswissenschaft und die Frage der Sprachlichkeit unbewußter Geistestätigkeit. Dabei zeigen sich Gemeinsamkeiten, aber auch tiefgehende Differenzen vor allem in den Lösungsmodellen der Disziplinen. Die Möglichkeit einer Allianz erscheint am Ende realistisch, wenn auch beide Disziplinen – vor allem aber die Psychoanalyse – durch einen solchen Zusammenschluß einem nicht unerheblichen Wandel unterworfen würden.

In the last few years, some researchers have seen »new alliances« between psychoanalysis and cognitive science or artificial intelligence. The present paper investigates the common ground of these disciplines with regard to some of their main subjects and approaches. The methodological status of the intentional discourse and the problem of the linguistic character of mental processes are discussed in detail. Finally, a »new alliance« appears to be a realistic and promising project despite major differences between the disciplines.

Formate: pdf
Martin Kurthen
Seite 850 - 883
Erinnern in der Übertragung – Vergangenheit in der Gegenwart? Psychoanalyse und Embodied Cognitive Science: ein interdisziplinärer Dialog zum Gedächtnis

Im Rahmen eines interdisziplinären Dialogs zwischen Psychoanalyse und Cognitive Science wollen die Autoren einen produktiven fremden Blick auf das Eigene werfen und dazu beitragen, den Forschungsergebnissen der Psychoanalyse die notwendige »externale Kohärenz« zu verleihen. Das Gemeinsame beider Wissenschaften sehen Leuzinger-Bohleber und Pfeifer in den teilweise analogen Fragestellungen hinsichtlich Gedächtnis, Erinnern, Phantasieren, den kognitiven und emotionalen Prozessen. Aus der Perspektive der Cognitive Science setzen die Autoren sich im ersten Teil mit den Gedächtniskonzepten der klassischen Cognitive Science auseinander und betonen die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels. Das einseitige klassische Speichermodell (Wachstafel, Wunderblock) müsse durch neuere Konzeptualisierungen der Embodied Cognitive Science abgelöst werden : Während dem Speichermodell zufolge Erinnern und Wiedererkennen lediglich zu automatischem replay identischer Engramme führe, erfasse die Embodied Cognitive Science – indem sie Gedächtnis sowohl in Interaktion mit der Umwelt als auch in ständiger adaptiver Veränderung im Organismus konzipiert – Psychologie wie Physiologie des Gedächtnisses gleichermaßen. Anhand eines psychoanalytischen Fallbeispiels zeigen die Autoren im zweiten Teil, wie dieses neue Verständnis von Erinnerungsprozessen für den analytischen Prozeß, speziell die Übertragungsbeziehung, fruchtbar gemacht werden kann.

Remembrance in Transference – Past in the Present? Psychoanalysis and embodied cognitive science: an interdisciplinary dialogue on memory
In the context of an interdisciplinary dialogue between psychoanalysis and cognitive science, the authors set out to cast a productively alien gaze on their own field, thus helping to bestow the necessary »external coherence« on the results of psychoanalytic research. Leuzinger-Bohleber and Pfeifer identify a partially overlapping concern with memory, recollection, fantasizing, and cognitive and emotional processes as the common ground between the two disciplines. In the first section, the authors undertake a review of the concepts of memory in classical cognitive science from the perspective of that discipline itself and conclude that the time has come for a paradigmatic change. They urge that the one-sided classical model of memory as stored structures (the wax tablet or »mystic pad« idea) should be replaced by newer conceptualizations of the »embodied cognitive science« approach. Whereas the former sees recall and recognition as nothing more than an automatic replay of identical engrams, embodied cognitive science conceptualizes memory both in terms of interaction with the environment and of ongoing adaptive changes within the organism. This equips it to cover both the psychology and the physiology of memory. From there the authors proceed in the second section to describe a specific psychoanalytic case example with a view to illustrating how this new approach to recollection processes can be made fruitful for analytic procedure, notably in connection with the transference relation.

Formate: pdf
Marianne Leuzinger-Bohleber, Rolf Pfeifer
Seite 884 - 918
Psychoanalytische Beobachtungen an vier Patienten mit ventromesialen Frontalhirnläsionen

Der Autor berichtet über das Forschungsvorhaben einer von ihm geleiteten New Yorker Arbeitsgruppe, mittels der Methode der klinisch-anatomischen Korrelation neurologische Schädigungen (hier speziell der ventromesialen – bzw. in anderer Terminologie: der mediobasalen Frontalhirnregion) korrelativ mit den in einem psychoanalytischen Untersuchungssetting erhobenen Befunden in Beziehung zu setzen und über diesen ›neuro-psychoanalytischen‹ Ansatz das neuronale Substrat der von der Psychoanalyse beschriebenen metapsychologischen Funktionen und Prozesse zu erschließen. Das Vorgehen wird an vier klinischen Fallbeispielen veranschaulicht und die Hypothese entwickelt, daß die ventromesiale Frontalhirnregion vermutlich für den metapsychologischen Vorgang der Bindung von Erregungen (und damit der Konstituierung von Sekundärprozessen unter Hemmung des Primärprozesses) zuständig ist.

Psychoanalytic Observations on Four Cases on Ventromesial Frontal Lobe Damage
The author reports on a research project conducted by a New York work group under his aegis. Using the clinical-anatomical correlation method, the team correlates neurologic damage (here damage to the ventromesial – aka mediobasal – region of the frontal brain) with findings from a psychoanalytic investigation setting, drawing on this »neuropsychoanalytic« approach to attempt to identify the neuronal substrate of the metapsychological functions and processes described by psychoanalysis. The procedure is illustrated with reference to four case examples. The author advances the hypothesis that the ventromesial region of the frontal brain may be responsible for the metapsychological process of attachment of excitations (and hence for the constitution of secondary processes and the concomitant inhibition of the primary process).

Formate: pdf
Mark Solms
Seite 919 - 962
Kontext und Bedeutung: Psychobiologie der Subjektivität im Hinblick auf psychoanalytische Theoriebildungen

Die raschen Fortschritte der Neurowissenschaften ermöglichen immer detailliertere Einblicke in die neurologischen Grundlagen der psychischen Entwicklung bis hin zu komplexen Leistungen wie Imagination, Traum und Phantasie. Gehde und Emrich untersuchen neuere psychoanalytische Konzepte, insbesondere zu Internalisierung und Persönlichkeitsorganisation in der Objektbeziehungstheorie, und deren mögliche Entsprechungen auf neurobiologischer Ebene. Nach heutiger Kenntnis lösen Erfahrungen ebenso wie eine gelingende Therapie jeweils Kaskaden von Veränderungen aus, die – bis ins hohe Alter – synaptische Strukturen des ZNS, Neurotransmitter und Hormone betreffen. Ergebnisse zu Wechselwirkungen zwischen Kognition und Emotion und zu zwei unterscheidbaren Gedächtnisarten werden referiert. Diese führen zu einer neuen Sicht auf zentrale theoretische Konzepte wie Selbst/Objekt-Differenzierung, Wahrnehmung und Verarbeitung von Affekten, Spaltungsmechanismen als Organisationsform des Ich sowie Phantasieprozesse beim Kleinkind. Die Autoren schlagen einen integrativen Ansatz vor, in dem die Eigenständigkeit der Psychoanalyse deutlich und die Notwendigkeit einer ausreichenden Therapiedauer begründet wird.

Context and Meaning: The psychobiology of subjectivity and the formation of psychoanalytic theories
The headlong progress in the neurosciences provides more and more detailed insights into the neurologic foundations of psychic development all the way up to complex processes like imagination, dream and fantasy. Gehde and Emrich discuss recent psychoanalytic concepts, notably those pertaining to internalization and personality organization in object relations theory, and inquire into their potential counterparts at the neurobiological level. The latest research suggests that both life experiences and successful therapy set off cascades of changes affecting synaptic structures of the CNS, neurotransmitters and hormones, a process that continues into extreme old age. The article reports on findings concerning the interactions between cognition and emotion and the possibility of distinguishing two kinds of memory. These findings open up a new perspective on central theoretical concepts like self/object differentiation, perception and working out of affects, splitting mechanisms as an organization form of the ego, and fantasy processes in infants. The authors propose an integrative approach providing a rationale for the autonomy of psychoanalysis and the necessity of adequate therapy duration.

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Eckhardt Gehde, Hinderk M. Emrich
Seite 963 - 1003
Mandelkern, Hippocampus und Psychoanalyse

Wie groß die Nähe der Kognitionsforschung zur Psychoanalyse sein kann, zeigt der Literaturbericht zur Diskussion um das Zusammenspiel der Gehirnteile Mandelkern und Hippocampus und ihr jeweiliger Beitrag zur Gefühlsverarbeitung – einem zentralen Gegenstand der Psychoanalyse. Läsionsstudien legen es nahe, im Mandelkern ein System zur Gefahrenerkennung (konditionierendes Wissen, implizites Gedächtnis) und im Hippocampus ein System zur Gefahrenvermeidung (erklärendes Wissen, explizites Gedächtnis) zu vermuten, deren Wechselwirkung erst erfolgreiches Lernen ermöglicht. Erkrankungen der Großhirnrinde und des limbischen Systems könnten nun psychische Störungen wie Angstzustände, Zwangsneurosen, Phobien etc. bedingen, die sich möglicherweise durch die Ergänzung der beiden Disziplinen behandeln lassen. Für Levin gewinnt diese These Evidenz mit Betrachtung der neurologischen Aufmerksamkeitssysteme, die Gemeinsamkeiten zum dynamisch unbewußten System der Psychoanalyse erkennen lassen.

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Fred M. Levin
Seite 1004 - 1013
Überlegungen zur Metapsychologie, theoretischen Kohärenz, zur Hermeneutik und Biologie

Da es Freud – so der Autor – nicht gelang, seine klinischen Beobachtungen mit der zeitgenössischen Neurophysiologie in Einklang zu bringen, versuchte er, die Psychoanalyse mit Hilfe einer spekulativen Metapsychologie in der Biologie zu verankern. Epistemologische Einwände haben zum Verzicht auf seine Formulierungen als einer wissenschaftlichen Theorie geführt, auch wenn diese Terminologie nach wie vor von vielen metaphorisch benutzt wird. Andere bestreiten die Notwendigkeit einer generellen Theorie psychischer Funktionen. Manche Theoretiker wollen die Psychoanalyse auf eine hermeneutische Grundlage außerhalb der Biologie stellen; sie grenzen ihr Feld auf die psychischen Inhalte ein, arbeiten aber häufig mit Konzepten, die auf metapsychologischen Grundannahmen beruhen. Da die Bedeutungen solcher Inhalte schwierig zu bestimmen sind, plädiert Gedo dafür, ihre analytische Deutung in Zusammenarbeit mit den Analysanden zu »konstruieren«. Gleichzeitig können qualifizierte Beobachter zuverlässige psychobiologische Daten sammeln und Wissen über Kognition, Affektivität, Kommunikation und die Regulation des Verhaltens zusammentragen – Aspekte, die Freud mit der ökonomischen bzw. strukturellen Perspektive erfaßte. Daher sollte dem Autor zufolge die analytische Theorie zu den Erkenntnissen der Semiotik, Kognitionspsychologie und Hirnforschung in Beziehung gesetzt werden.

Reflections on metapsychology, theoretical coherence, hermeneutics, and biology
Unable to correlate clinical findings with contemporary neurophysiology, Freud tried to anchor psychoanalysis within biology through a speculative metapsychology. Recently, epistemological objections led to abandonment of his proposals qua scientific theory, although many still use them metaphorically. Others deny the need for any general theory of mental functions. Some theorists would espouse a hermeneutic basis for psychoanalysis, outside the bounderies of biology; they allegedly confine their purview to mental contents but often use concepts based on metapsychological assumptions. Because the meanings of such contents are difficult to determine, their interpretation should be »constructed« in collaboration with analysands. By contrast, trained observers may reliably collect psychobiological data, accumulating knowledge of cognition, affectivity, communication, and the regulation of behavior – matters Freud encompassed via the economic and structural viewpoints. Hence analytic theory should be correlated with the findings of semiotics, cognitive psychology, and brain science.

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John E. Gedo
Seite 1014 - 1042
Buchbesprechungen
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Formate: pdf
Klaus Röckerath
Seite 1043 - 1046
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