Die Epigenetik erforscht erworbene Informationen der Zelle, die nicht in der DNA-Sequenz gespeichert sind, deren Biochemie dennoch verändern und an Tochterzellen weitergegeben werden können. Alle epigenetischen Marker einer Zelle bilden ihr Epigenom. Es definiert die Gen-Aktivierbarkeit und damit die Identität der Zelle und bildet eine Art Gedächtnis für Umwelteinflüsse. Für die gesunde Entwicklung ist eine funktionierende Epigenetik unerlässlich. Gerade in sensiblen vorgeburtlichen und frühkindlichen Phasen können Faktoren wie Stress, Ernährung oder Bewegung epigenetische Weichenstellungen induzieren, die das Krankheitsrisiko im späteren Leben verändern (perinatale Programmierung). Doch auch Erwachsene können beispielsweise durch eine Änderung des Lebensstils ihre Zellen umprogrammieren. Epigenetische Marker in den entsprechenden zellulären Netzwerken beeinflussen das Risiko vieler Krankheiten und Persönlichkeitsstörungen. Eine gesunde Lebensweise verbunden mit wenig toxischem Stress, viel Zuneigung und Geborgenheit in der Zeit um die Geburt entfalten deshalb sehr wahrscheinlich eine bis ins Alter anhaltende präventive Wirkung. Neueste Tier-Studien legen nahe, dass dadurch sogar die Epigenome folgender Generationen beeinflusst werden.
Imprinting of the personality: An introduction into epigenetics
Epigenetics explores acquired cell information which is not recorded in the DNA sequence but modifies the cells biochemical structure and potentially inherits it to daughter cells. The epigenome consists of the sum of the epigenetic marks of a cell. The epigenome defines the potential of gene activation and therefore the identity of the cell and constitutes a kind of memory of environmental influence. The healthy development of the cell requires well-functioning epigenetics. Especially in sensitive prenatal and infantile stages, external factors such as stress level, diet or sports induce epigenetic changes which are capable of influencing the disease risk in later life (perinatal programming). However, even in adults programming of cells can be modified, for instance by a change of lifestyle. Epigenetic marks in the corresponding cellular networks have an effect on the risk potential of many diseases and personality disorders. A healthy lifestyle, along with little toxic stress, much affection and devotion in the immediate pre- and post-nativity period with a high probability unfolds a long-lasting preventive effect even in old age. Most recent animal studies suggest that even the epigenomes of following generations are influenced.
Epigenetische Strukturen und Mechanismen bestimmen den Zugang zur DNA und regulieren so die Genexpression. Dabei unterliegen sie einer lebenslangen Modulation durch Umwelteinflüsse. Durch eine Traumatisierung kann die Genaktivität über epigenetische Prozesse derart verändert werden, dass sich ganze Hirnareale umstrukturieren. Einige Forschungsarbeiten weisen darauf hin, dass die zugrunde liegenden Mechanismen nicht nur die erlebende Generation betreffen, sondern bis in die dritte Generation weitergegeben werden können. Der epigenetische Status der Eltern wird teilweise über die Keimbahnzellen an die Nachkommen weitergegeben. Einerseits könnten so individuelle Vulnerabilitäten bezüglich psychiatrischer Störungsbilder, die teils nicht der klassischen Vererbungslehre folgen, erklärbar werden und aus den aktuellen Erkenntnissen neue Implikationen für therapeutische Strategien erwachsen. Andererseits gilt es der Versuchung zu widerstehen, die Epigenetik mit Erklärungs- und Heilserwartungen zu überfrachten. Denn wenn auch epigenetische Reaktionen auf unterschiedliche Umwelteinflüsse im Individuum heute als bewiesen gelten, so stellt die Vererbung epigenetischer Prägungen ein immer noch kontrovers diskutiertes Feld dar. Insbesondere die Spezifität der weitergegebenen Merkmale im Sinne der tatsächlichen Weitergabe erworbener, komplexer Eigenschaften wird kritisch betrachtet.
Epigenetics and trauma
Epigenetic mechanisms regulate gene expression and determine the accessibility of DNA for transcription. These mechanisms are highly adaptive and are subject to a lifetime modulation caused by environmental effects, leading to plasticity in phenotype. In cases of trauma, epigenetic mechanisms can change structures and connectivity in brain areas, which may lead to variance in behavior and vulnerability. Research suggests that these changes not only impact the individual itself but also can be passed onto offspring of the third generation. Some of these molecular modifications resist a reprogramming during gametogenesis and are handed down via the germline – a process denoted as epigenetic inheritance. This information is particularly helpful to increase our understanding of psychiatric vulnerability and its nonconformity with Mendel's inheritance laws. Moreover, new strategies to cure illness may arise in psychotherapy as well as in psychiatry. However, it is important to note that additional research is needed in order to fully understand the relationship between epigenetic mechanisms and complex traits as well as inherited psychiatric vulnerability. Up to this point it is critical to understand the specifics of the modifications passed from parents to offspring within the context of the actual transfer of acquired, complex properties.
Es besteht heute kein Zweifel mehr daran, dass epigenetische Faktoren über die Modulation von Verhalten und Persönlichkeit in die Pathogenese von Persönlichkeitsstörungen involviert sind. Die Epigenetik beschäftigt sich mit der erblichen, aber zum Teil auch reversiblen und dynamischen Regulation der Genexpression durch nichtmutagene Veränderung der DNA und postranslationale Modifikationen der Histone und anderer DNA-assoziierter Faktoren sowie durch kurze nichtkodierende RNAs (RNA-Interferenz). Epigenetische Veränderungen unterliegen einem starken Umwelteinfluss wie z. B. Traumata oder Stress und sind wahrscheinlich einer der Gründe für interindividuelle Unterschiede aber auch für möglicherweise vererbbare Langzeiteffekte. Dieser Übersichtsbeitrag fasst die wichtigsten epigenetischen Mechanismen zusammen und gibt einen Überblick über Studien, die sich mit dem Einfluss von Umweltfaktoren auf epigenetische Regulation im Kontext von Verhalten, Persönlichkeitsausbildung und Persönlichkeitsstörungen beschäftigen. Ein detailliertes Verständnis der zugrunde liegenden epigenetischen Faktoren wird neue Einblicke in die Pathophysiologie von Persönlichkeitsstörungen liefern und letztendlich deren psychotherapeutische und pharmakologische Therapie sowie möglicherweise Prävention verbessern.
Epigenetic mechanisms in personality disorders: Implication on development and treatment
There is no doubt that epigenetic factors play an important role in behavior, personality and personality disorders. Epigenetics deals with the investigation of heritable, but also dynamic and partial reversible regulation of gene expression by non-mutagenic alterations of DNA and post translational modifications of histones, as well as with the regulation by short non-coding RNAs (RNA interference). Epigenetic mechanisms are strongly influenced by environmental factors as trauma or stress and seem to be responsible for inter-individual differences, but also for many long term effects. This work gives an overview about the most important epigenetic mechanisms and reviews studies analyzing the influence of environmental factors involved in the pathogenesis of behavior, personality and personality disorders. The knowledge of these epigenetic regulations may contribute to the prevention and identification of novel therapeutic strategies of personality disorders.
Mögliche Zusammenhänge zwischen dem psychiatrischen Krankheitsbild der dissoziativen Amnesie und epigenetischen Einflüssen werden dargestellt. Dissoziative Amnesien stellen ein sehr schwerwiegendes und häufig chronisches Krankheitsbild dar, bei dem Betroffene in der Regel den Zugang zu und die Verarbeitung von episodisch-autobiografischen Gedächtnisinhalten verlieren, weswegen man auch vom mnestischen Blockadesyndrom spricht; dieser Terminus zeigt an, dass die Amnesie nicht permanent sein muss und die Erinnerungen nicht gelöscht sind. Dissoziative Amnesie geht meist mit Veränderungen des Selbst (Identitätsstörungen, Identitätsverlust) einher, da durch die fehlende persönliche Erinnerung auch der Zugang zur eigenen Entwicklung und den damit verbundenen Charakterzügen nicht mehr bewusst herstellbar ist. In sehr seltenen Fällen kann es auch zu einer umgekehrten Phänomenologie kommen, nämlich zur Unfähigkeit, sich Neues bewusst bleibend anzueignen. Es wird angenommen, dass Stress- und Traumazustände die Ursache für das Auftreten dissoziativer Amnesien darstellen. Diese Erkenntnisse zeigen, wie bedeutend gesunde biologische und soziokulturelle Umwelten für die menschliche Entwicklung und das Wohlbefinden sind.
Dissociative Amnesias – a disease condition with a likely epigenetic component
Possible relations between the psychiatric disease condition of dissociative amnesia and epigenetic influences are outlined. Dissociative amnesias constitutes a severe and frequently chronic disease condition. Sufferers from dissociative amnesia lose access to (and the ability to process) episodic-autobiographical memory. Because of this the term mnestic block syndrome was chosen to indicate that the amnesia might not be permanent and the remembrances not erased. Dissociative amnesia principally leads to disturbances in or a loss of identity, as the inability of accessing personal remembrances also blocks the conscious access to one's own development and to the features accompanying this. In very rare instances a reversed phenomenology may occur in that way that patients are unable to acquire and store new episodes consciously. It is assumed that stress and trauma conditions are causal for the appearance of dissociative amnesias. These findings demonstrate how important healthy biological and sociocultural environments are for human development and well-being.
Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter werden in der klinischen Praxis noch immer mit großer Zurückhaltung diagnostiziert und entsprechend inadäquat behandelt. Gegenstand dieser Kasuistik ist die Integration bindungsbezogener und mentalisierungsbasierter Aspekte in die Diagnostik und Behandlung einer Jugendlichen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Kasuistisch wird ein 16-jähriges Mädchen vorgestellt, welches zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme Symptome einer Borderline-Persönlichkeitsstörung aufwies sowie die Kriterien von mehreren Achse-I-Störungen erfüllte. Sie litt insbesondere unter selbstverletzendem Verhalten sowie Ängsten, die ihren Lebensalltag deutlich beeinträchtigten. Die Bindungsdiagnostik zeigte bei dieser Patientin ein ungelöstes Trauma, bei welchem Themen wie Isolation, Hilflosigkeit sowie die Unverlässlichkeit der Bindungsfiguren vordergründig waren. Diese bindungsbezogenen Aspekte spielten neben der intensiven Einbeziehung der Eltern eine wesentliche Rolle für den therapeutischen Prozess. Es ist davon auszugehen, dass bereits im Jugendalter die Kriterien einer Borderline-Persönlichkeitsstörung erfüllt und entsprechend behandelt werden müssen. Weitere Untersuchungen und Fallberichte über spezifische Therapietechniken und den Verlauf des Störungsbildes im Jugendalter wären wünschenswert.
Attachment issues in an adolescent girl with a borderline personality disorder
The diagnosis of personality disorders in adolescence has long been controversially discussed in the research literature and thus only very little is known about the course and effective treatment in that age group. The present report deals with the diagnosis and treatment of borderline personality disorder in a 16-year old adolescent girl including attachment-related and mentalization-based aspects. She showed symptoms of borderline personality disorder and fulfilled the diagnostic criteria for other axis I disorders at the beginning of her inpatient treatment. The girl suffered from self-harming behaviours and severe anxiety. She was diagnosed with an unresolved attachment pattern involving themes of isolation, helplessness and unavailability of attachment figures. These attachment-related aspects played a key role for the therapeutic process. Symptoms of borderline personality disorders can already manifest during adolescence. Investigating the psychopathological profile of borderline personality disorders in adolescence and developing age-specific therapeutic interventions represents a promising area for future research.
Bestell-Informationen
Service / Kontakt
Kontakt