Traumatische Erlebnisse verursachen vielfältige psychopathologische Symptome, die die Grenzen der diagnostischen Zuordnung überschreiten. Die Beurteilung und diagnostische Wertung psychotischer Psychopathologie im Kontext von Traumatisierungen stellt hierbei eine besondere Herausforderung dar. Seit Schneiders Veröffentlichung der sogenannten Erstrangsymptome wurde eine Spezifität für die Diagnose einer Schizophrenie angenommen. Erst mit der Veröffentlichung des DSM-5 wurde der diagnostische Stellenwert der Erstrangsymptome grundsätzlich in Frage gestellt. Hierzu haben die Auseinandersetzung mit den Folgen von Traumatisierungen und die Wiederentdeckung von Janets Modell der Dissoziation geführt. Das Modell der Dissoziation nimmt mittlerweile eine bedeutende Rolle bei der Interpretation stressassoziierter psychotischer Psychopathologie ein. Die historische Entwicklung der psychiatrischen Diagnostik und die Schwierigkeiten, traumaassoziierte Psychopathologie einzuordnen, sind eng miteinander verbunden. In der vorliegenden Übersicht werden historische, biologische und klinisch-pragmatische Aspekte der differentialdiagnostischen Einordnung von psychotischen Symptomen vorgestellt.
Trauma and Psychotic Psychopathology
Traumatic experiences cause a variety of psychopathological symptoms that exceed the limits of the current diagnostic manuals. The diagnostic evaluation of psychotic psychopathology poses a special challenge in the context of psychological traumatization. Since Schneider’s publication of the so-called first-rank symptoms their specificity has been assumed for the diagnosis of schizophrenia and has only been questioned since the publication of the DSM-5. This development is influenced by the acknowledgment of traumatization and its sequelae. Furthermore, the re-discovery of Janet’s model of dissociation plays an important role in the interpretation of stress-related psychotic symptoms. The historical development of psychiatric diagnostics and the difficulties of classifying trauma-associated psychopathology are closely linked. The present review presents historical, biological and clinical pragmatic aspects of the differential diagnoses of psychotic symptoms.
Es gibt Hinweise, dass sich die Psychopathologie von psychotischen Patienten mit und ohne Traumatisierungen unterscheidet. Das Ziel dieser Arbeit war es deshalb, Unterschiede in Bezug auf Stimmenphänomene bei N = 111 Patienten mit Schizophrenie-Spektrum-Störung mit und ohne frühe Gewalterfahrungen zu untersuchen. Die Patienten wurden mithilfe des Strukturierten Traumainterviews in eine Gruppe mit Gewalterfahrungen vor dem 16. Lebensjahr und eine Gruppe ohne solche Gewalterfahrungen eingeteilt. Akustische verbale Halluzinationen wurden mithilfe einer modifizierten Version des Maastricht Interview for Voice Hearers erhoben. Die Gruppe mit Gewalterfahrungen empfanden Stimmenphänomene signifikant häufiger als »nicht unterscheidbar von den eigenen Gedanken« (67 % vs. 29 %), empfanden sich signifikant häufiger als »machtlos« gegenüber ihren Stimmen (100 % vs. 78 %) und hatten signifikant häufiger Stimmen mit ausschließlich negativem Charakter (85 % vs. 51 %). Unsere Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass bestimmte psychotische Symptome Teil eines Reaktionsspektrums auf traumatische Lebensereignisse bilden könnten. Stimmenphänomene mit den oben genannten Charakteristika sollten für eine etwaige Trauma-Anamnese sensibilisieren, insbesondere da inzwischen spezielle Therapieansätze für Betroffene vorliegen.
Differences in the phenomenology of verbal acoustic hallucinations in patients with schizophrenia-spectrum disorders with and without exposure to violence in childhood
There is evidence on relationships between a history of trauma and the quality of symptoms in patients with psychotic disorders. The aim of this study was to examine differences with regard to the quality of auditory verbal hallucinations in N = 111 patients with schizophrenia spectrum disorders with and without childhood abuse. The Structured Trauma Interview was used to determine exposure to violence before the age of 16. Auditory verbal hallucinations were evaluated using a modified version of the Maastricht Interview for Voice Hearers. The group with exposure to violence perceived the voices significantly more often as »indistinguishable from their own thoughts« (67 % vs. 29 %), they felt significantly more often »powerless« towards their voices (100 % vs. 78 %) and had significantly more often voices with a negative character (85 % vs. 51 %). Our results support the assumption that certain psychotic symptoms might be part of a spectrum of reactions to traumatic life events. Voices with the characteristics mentioned above should sensitize for a potential history of trauma, given the fact that tailored therapeutic approaches for the patients concerned have been made available.
Bei Schizophrenie finden sich gehäuft Traumatisierungen und Dissoziation. Umgekehrt neigen traumatisierte und dissoziierende Individuen zu psychotischen Symptomen wie halluzinatorischen und paranoiden Syndromen. Phänomenologische Unterschiede beziehen sich dabei eher auf die Art der Fehlwahrnehmungen, während quantitative Unterschiede nicht wegweisend sind. Diese Befundlage spricht für eine schizophrene Diathese, die durch Trauma und Dissoziation geprägt ist und zumindest bei einem Teil der Erkrankten eine tragende pathogenetische Rolle spielt. In Analogie dazu weisen posttraumatische Syndrome auch im Hinblick auf Körpersymptome eine Parallele zur schizophrenen Symptombildung auf, die sich in dysmorphophoben, hypochondrischen und leib-halluzinatorischen Phänomenen äußern kann. Sowohl im Hinblick auf tatsächlich posttraumatische als auch im Hinblick auf tatsächlich schizophrene Erkrankungen führen Fehldiagnosen in der Regel zu Therapiefehlern. Vor diesem Hintergrund gibt die vorliegende Arbeit einen Überblick über die relevanten Unterschiede und Gemeinsamkeiten der diskutierten klinischen Phänomene. Zudem diskutieren wir die möglichen neurobiologischen Hintergründe einer derartigen Symptomüberlappung unter der Annahme einer traumaassoziierten Genese dieser Symptome.
Schizophrenia and Somatization. Two sides of a dissociative medal?
People diagnosed with schizophrenia often report complex traumatization and high levels of dissociative symptoms. Likewise, dissociation and posttraumatic symptomatology are linked to psychotic symptoms. Given these parallels and the overlap between schizophrenia and dissociation, there may be diagnostic errors and a systematic neglect of posttraumatic etiology. Regarding schizophrenia, the syndromal overlap with dissociation may even hint to a dissociative subtype of schizophrenia. On the contrary, coenesthetic hallucinations may be misinterpreted and mistreated as posttraumatic symptomatology. Therefore, the present article reviews the differences as well as commonalities between these syndromes along with the necessity to acknowledge them with respect to the distinct therapeutic implications that correspond to the etiological distinction. Not least, we review common neurophysiological mechanisms possibly accounting for the clinical overlap between dissociation and schizophrenia.
Obgleich sowohl Traumatisierungen als auch posttraumatische Belastungsstörungen eine hohe Prävalenz bei Menschen mit Psychosen haben, zögern Therapeuten, dieser Gruppe PTBS-Richtlinienbehandlungen anzubieten. Sie befürchten, dass die direkte Verarbeitung traumatischer Erinnerungen für Patienten mit Psychose unerträglich sei und Symptomverschlimmerung, Destabilisierung und psychiatrische Krise die Folge sein könnten. Die verfügbaren Daten legen jedoch das Gegenteil nahe. Patienten mit schwerer psychischer Erkrankung können erfolgreich mit traumafokussierter Therapie (TFT) behandelt werden. Bei Patienten mit einer psychotischen Störung hat sich insbesondere die TFT mit direkter Prozessierung traumatischer Erinnerungen als effektive Intervention erwiesen. Diese Behandlungen sind außerdem offenbar sicher und führen zu positiven Nebeneffekten, z. B. einer Besserung der Depression und einer Reduzierung paranoider Vorstellungen. Die Autoren vertreten die These, dass ein Umdenken notwendig ist und dass Therapeuten, Ärzte und andere, die mit Menschen mit Psychose arbeiten, eine traumasensible Einstellung entwickeln und Traumata und andere negative Lebenserfahrungen in die Konzeptualisierung und Planung der Behandlung einbeziehen müssen. Wir haben diese Patientengruppe viel zu lange vernachlässigt. Es ist Zeit, dies zu ändern.
Treating Trauma in Psychosis
Although both trauma and PTSD are highly prevalent in people with psychosis, therapists are reluctant to offer guideline PTSD treatments to this group. Therapists fear that patients with psychosis won’t tolerate direct trauma memory processing and that this will result in symptom worsening, destabilization, and psychiatric crisis. The available data however suggests otherwise. Patients with severe mental illness can effectively be treated with trauma-focused treatment (TFT). In patients with a psychotic disorder especially TFTs with direct memory processing are found to be effective. Moreover, these treatments appear to be safe and result in positive side-effects like a reduction of depression and paranoid ideation. It is suggested that change is necessary. That professionals working with people with psychosis need to adopt a trauma-sensitive attitude and include trauma and other negative life experiences in the conceptualization and planning of treatment. We’ve neglected this group of patients for too long, it’s time for change.
In einer fallrekonstruktiven Studie zu den Lebensverläufen komplex traumatisierter Frauen mit Kindern zeigte sich, dass die interviewten Mütter die transgenerationale Weitergabe von Traumatisierungen als alternativlose Tatsache erleben. Dies ging mit starken Schuldgefühlen und Selbstabwertungen einher.
Die Analyse des biografischen Verlaufs der Frauen offenbarte jedoch auch Prozesse des Selbstverstehens, die durch Wissensbestände der Psychotraumatologie (u. a. zu Dissoziation und Innere-Kind-Arbeit) angestoßen wurden. Diese Selbstverstehensprozesse boten den Frauen dann Ausgangspunkte für eine Veränderung transgenerationaler Beziehungen.
Außerdem wurde die Bedeutung Zuversicht spendender Arbeitsbeziehungen zu Fachkräften der psychosozialen Praxis deutlich. In solchen Beziehungen konnten sich die interviewten Mütter sukzessive von der von ihnen erlebten Alternativlosigkeit distanzieren.
The transgenerational transfer of trauma as an unavoidable fact? Encouragement for the present as a basic component of traumasensitive counselling with parents
In a study based on biographies of mothers suffering from complex trauma, the transgenerational transfer of trauma was experienced as unavoidable by the interviewees. These experiences were accompanied by strong feelings of guilt and self-devaluation.
However, processes of self-understanding, initiated through psycho-traumatological concepts (e. g. dissociation, Inner Child work), were seen as well. Through these processes of self-understanding, mothers with complex trauma were enabled to begin to change their transgenerational relationships.
An additional finding was the significance of specific working relationships with psychosocial professionals. Through these encouraging relationships, the interviewed women could gain self-confidence and gradually distance themselves from their feelings of inevitability about their current situation.
Frank, Rahel
Einsam oder gemeinsam? Der »Greifswalder Weg« und die DDR-Kirchenpolitik 1980 bis 1989 (Freyberger, Harald J.)
Vogt, Ralf
Täterbindung. Gruppentherapie und Soziale Neurobiologie (Haudel, Thomas)
Krähnke, Uwe; Finster, Matthias; Reimann, Philipp; Zschirpe, Anja
Im Dienst der Staatssicherheit. Eine soziologische Studie über die hauptamtlichen Mitarbeiter des DDR-Geheimdienstes (Freyberger, Harald J.)
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