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PSYCHE, 1970, Jg. 24, Ausgabe 9

PSYCHE, 1970, Jg. 24, Ausgabe 9

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Bibliographische Angaben


Erscheinungstermin: 01.09.1970
ISSN print: 0033-2623 / ISSN digital: 2510-4187

Details


Hauptbeitrag
Die Verwendung des Strukturmodells und des Symbolbegriffes in der Psychoanalyse

Anhand der Geschichte eines Patienten mit fixiertem Bluthochdruck werden die psychoanalytische Interpretation der Neurosen nach dem Schema gestörter Bildungsprozesse (Habermas) und die daraus hervorgegangene Struktur-Theorie des psychischen Apparats vergegenwärtigt. Das Leiden des Patienten bestand in einer zwanghaft sich einstellenden, ichfremden, unbewußten Fehlinterpretation von Situationen, die an die unbewältigt gebliebene ödipale Autoritätssituation erinnerten. Nach der infantilen »Lösung« des Ambivalenzkonflikts mit dem Vater durch projektive Externalisierung blieb der Konfliktbereich von späteren von späteren Reifungsprozessen des Ichs abgekapselt. Der Sinn der psychosomatischen Reaktion war die Herstellung einer permanenten Flucht- und Kampfbereitschaft, die der – infolge fehlerhafter Symbolisierung – mißdeuteten Situation entsprach. Die Korrektur der verzerrenden Symbolisierung wird durch das Wiederaufleben des infantilen Konflikts in der Übertragungssituation möglich.

The utilization of the structural model and of the »symbol« concept in psychoanalysis
Using the example of a case of hypertension, the psychoanalytic interpretation of neurosis as disturbed formative-experiential process (Habermas) and the resulting structural theory of the psychic apparatus are reviewed. The patient's disturbance consisted of a compulsively recurrent, ego-alien, unconscious misinterpretation of certain situations which reminded him of the unmastered oedipal authority situation. Following the infantile »solution« of the ambivalence conflict with the father by means of projective externalization, the conflict area remained split off from the maturational processes of the ego. The meaning of the psychosomatic reaction was a readiness for fight or flight which, defectively symbolized, corresponded to the misinterpreted situation. The revival of the infantile conflict in the transference permits the correction of the distorted (and distorting) symbolization.

Schlagworte: Symbolisierung, Symbol, Ambivalenzkonflikt, Strukturmodell, Bluthochdruck, infantiler Konflikt
Formate: pdf
Lutz Rosenkötter
Seite 641 - 656
Zur Genese der Ich-Störungen

Frühkindliche pathogene Interaktionen mit den Eltern führen häufig zur Internalisierung spannungsvoller Introjekte, die die Integrations- und Kontrollfunktionen des Ichs permanent überfordern. Eine ausführlich mitgeteilte Fallgeschichte illustriert, wie es infolge traumatischer Stimulierung durch die Mutter zur Entstehung eines archaischen Subsystems im Ich kommt, das frühe, primitive Ich-Zustände konserviert. Das mit starker affektiver Valenz besetzte Mutter-Introjekt kann nicht integriert werden, sondern wird isoliert. Mehr noch: Eine ganze Reihe von Interaktionen, Affekten, Situationen, wird zu einem nicht integrierten »Programm« verbunden. In bestimmten Situationen, die eine Stimulierung des isolierten Systems mit sich bringen (Partnerbeziehungen oder Übertragungssituationen in der Analyse), kommt es zu verstärkten Abwehrversuchen des geschwächten Ichs bzw. zu Regressionen, die vor allem die Grenze zwischen Selbst und Objekt undeutlich werden lassen.

Concerning the genesis of ego-disturbances
Pathogenic interactions with the parents during early infancy often bring about the internalization of tension-laden introjects which permanently overtax the integrative and control functions of ego. A detailed case history illustrates how traumatic stimulation by the mother produces an archaic subsystem of the ego which preserves early, primitive ego states. The maternal introject, strongly cathected, cannot be integrated, but remains isolated. Furthermore, an entire sequence of interactions, affects, and situations is chained into an unintegrated »program«. In certain situations (love relations, transference events in the analysis), which trigger this isolated system, the enfeebled ego reacts with intensified defenses and regressions so that the boundary between self and object may become blurred.

Schlagworte: Regression, Programm, Ich-Störungen, Mutter-Intojekt
Formate: pdf
Hans Müller-Braunschweig
Seite 657 - 677
Die Familienbeziehung

Freuds Interesse galt wesentlich der analytischen Zweierbeziehung und den innerpsychischen Prozessen seiner Patienten; die Familienbeziehungen wurden theoretisch wie therapeutisch zwar immer impliziert, standen aber nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit. Stierlin erörtert die Wechselbeziehungen zwischen Eltern und Kindern ebenso wie die Dialektik von Familie und Gesellschaft im Anschluß an die Arbeiten von Parsons und Bales, der Lidz-Gruppe und die von Wynne und Singer. Zur Ausbildung von Ich-Autonomie bedarf es auf seiten aller Familienmitglieder einer komplizierten Abgrenzungs- und Versöhnungsarbeit, der entfalteten Dialektik von Nähe und Distanz, deren Gelingen oder Mißlingen den familienspezifischen Interaktions- und Kommunikationsstil prägt.

Family Relationships
Freud was interested chiefly in analytic dyadic relations and in the innerpsychic processes of his patients; family relations were implied theoretically and therapeutically, but were not made the main focus, Stierlin discusses the interdependence which exists between parents and their offspring; also, following the leads of Parsons and Bales, T, Lidz and his associates, and Wynne and Singer, he deals with the dialectic interdependence of the family and its surrounding society. In order that the offspring can develop an ego-autonomy, all family members must share in a complex work of delimitation and reconciliation, Crucial is here the dialectic of closeness and distance whose success or failure shapes the style of interaction and communication prevailing in a given family.

Schlagworte: Adoleszenz, Individuation, Ich-Autonomie, Familienbeziehung
Formate: pdf
Helm Stierlin
Seite 678 - 691
Der Einsatz datenspeichernder und -verarbeitender Apparate für die Erforschung psychotherapeutischer Prozesse

Maschinenschriftliche Protokolle von therapeutischen Sitzungen, die zwar den Wortlaut der Interaktionen von Patient und Analytiker fixieren, den »vokalen Kanal«, auf dem affektive Information übertragen wird, aber nicht berücksichtigen können, haben für die Erforschung der therapeutischen Vorgänge (Therapiekontrolle) nur bedingten Wert. Auditive Wiedergabemethoden und schließlich audiovisuelle Hilfsmittel heben diesen Mangel auf, konfrontieren den Forscher aber mit einem Informationsüberfluß, der zur Ausbildung von Selektionskriterien nötigt. Probleme der Datenordnung und -reduktion treten nun in den Vordergrund. Der Interaktionschronograph von Chapple ist ein Vorläufer auf dem Wege zur Forschung mit Hilfe von Computern, die die Datenspeicherung, -reduktion und -verrechnung beobachterunabhängig machen. Der zum Gießener Sprachanalysegerät gehörige Prozeßrechner bietet die Möglichkeit, Mikrophänomene des Sprechverhaltens seismographisch zu erfassen. Er arbeitet als eine Art Wahrnehmungsverstärker, der dem Therapeuten ebensowohl die Konfrontation mit seinem eigenen Kommunikationsstil gegenüber dem Patienten ermöglicht, wie er ihm Veränderungen im therapeutischen Prozeß ankündigt, die sich seiner Wahrnehmung noch entziehen.

The use of data storage and processing equipment in research on psychotherapeutic processes
Transcripts of therapy sessions, which capture the verbatim interactions between patient and analyst, are of limited value for process research (and therapy supervision) because they do not take into account the »vocal channel« through which affective information is transmitted. Auditory reproduction and audio-visual aids eliminate this defect but confront the investigator with a surfeit of information so that selection criteria must be worked out. Data classification and coding then become major problems. The Chapple interaction chronograph paves the way for research utilizing computers which render data storage, coding, and analysis independent of investigator basis. The process analyzer connected with the language analysis apparatus in Giessen permits the seismographic investigation of microphenomena of linguistic behavior. It functions as a sort of perceptual amplifier which allows the therapist a confrontation with his own style of communication vis-a-vis the patient as well as advises him of changes in the therapy process of which he may as yet be unaware.

Schlagworte: Klinik, Datenspeicherung, Interaktionschronograph (Chapple), psychotherapeutischer Prozeß, Erforschung, Sprachanalysegerät der Psychosomatischen, Gießen, automatische vokale Transaktionsanalyse(AVTA)
Formate: pdf
Helmut Junker, Helmuth Zenz
Seite 692 - 705
Die permissive Gesellschaft und das Überich
Freuds Gedanken zur Kulturentwicklung, vom Standpunkt der Gegenwart betrachtet

Freud sah die Problematik zunehmender Triebeinschränkung ebenso wie die Freigabe der Triebbefriedigung, während die meisten Dissidenten die Triebgefahr leugneten. Freud ahnte nicht, wie weit die bestehende Gesellschaft in der Gewährung von Triebbefriedigung gehen würde. An die Stelle der Leugnung der Triebe trat eine Einstellung, die sie, indem sie Befriedigung zuläßt, nicht ernst nimmt (»Permissveness«). Die Autoren, die sich bewußt sind, daß sie nur einen Aspekt einer komplexen Entwicklung untersuchen, gehen von dem Faktum aus, daß trotz gesteigerter Triebbefriedigung beim wohlhabenden (amerikanischen) Mittelstand kein »friedliches Akzeptieren der Kultur«, sondern verstärkte Unzufriedenheit, verstärktes Unbehagen zu finden sind. Ihre Erklärung: die sexuelle Befriedigung ist schal geworden, daher die Flucht zu Rauschmitteln; milde Väter taugen nicht zur Verarbeitung des frühkindlich-strengen Überichs, die Schuldgefühle werden verdrängt und stiften das heute dominierende Unbehagen; die Aggression trifft auf keinen Widerstand, die Enttäuschung an den Eltern führt zur antihistorischen Kulturverachtung, zur Massenbildung in den Peer-Group-Subkulturen, zur Verstärkung des Generationenkonflikts und zur Identifikation mit starken Vätern (den Führergestalten der kommunistischen Revolutionen der Gegenwart).

Freud's ideas about the development of civilisation and its dilemma between freedom and restriction of drives, which derived from his study of the conflict in neurosis, have been remarkably confirmed by the events and the change of the cultural climate of the last 50 years. Sexual freedom, in accord with Freud's conception of repression, has considerably transformed the manifestations of the neuroses; however, it has not produced greater mental health but only new neurotic constellations. The lesser repression of infantile sexuality, has, as feared by him, reduced the control of aggression. The hostility against culture which forces the individual to restrict his libidinal and aggressive drives, nevertheless has grown, although the repression of drives is diminished. The task of »reconciling man to civilisation« is not made easier through the liberation of drives. In a period of cultural stability, the infantile, irrational demands of the superego which conflicted with the mature superego could be worked out in the analytic process. The protecting and controlling function of the superego could be left to the influence of the surrounding society. The present cultural chaos confronts psychoanalysis with entirely new tasks. Culture is based on a balance of psychological forces and is threatened if this balance is impaired by losing one of its supports. The decline of the superego disturbs the equilibrium to a dangerous degree.

Schlagworte: permissive Gesellschaft, Kulturanalyse, Triebbefreiung, Triebgefahr, Kulturverachtung, starke Väter
Formate: pdf
Henry Lowenfeld, Yela Lowenfeld
Seite 706 - 720
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