Im Verhältnis zwischen Mann und Frau ist das Wechselspiel von Liebe und Aggression konstitutiv für den Aufbau und die Konstanz emotionaler Beziehungen. Der Autor zeigt, daß das Gefühlsleben von Paaren nicht nur durch den Unterschied von männlicher und weiblicher Entwicklung geprägt ist, sondern häufig auch durch das unbewußte Einverständnis der Partner, frühere Objektbeziehungen, etwa zu elterlichen Figuren, in der Gegenwart zu wiederholen. Ebenso kann der unbewußte Wunsch, die Differenz zwischen den Geschlechtern dadurch aufzuheben, daß Komplementarität und zwillingshafte Beziehungen hergestellt werden, bei Paaren eine bedeutende Rolle spielen. Schließlich wird dargelegt, daß bestimmte Formen der Aggression von ungelösten ödipalen Konflikten herrühren, was sich z. B. darin ausdrücken kann, daß eine dritte Person in die Paarbeziehung eingeführt wird.
Seit etwa zwanzig Jahren stehen Freuds Ansichten zum Thema Weiblichkeit und weibliche Entwicklung massiv in der Kritik. Daß das kleine Mädchen lediglich ein »kleiner Mann« sei, wird heute kaum noch ernsthaft vertreten. Die Autorin legt dar, daß die Identifizierung des Mädchens mit dem Vater viele Bedeutungsfacetten hat: nicht nur die der Loslösung von der als ambivalent erlebten Mutter, sondern auch die, ein Subjekt zu finden, das Anerkennung, Autonomie, Begehren und Erregung verspricht. Insgesamt plädiert Benjamin dafür, den Begriff der Geschlechtsidentifizierung dergestalt zu dezentrieren, daß er sich auf die Vielfalt von Entwicklungspositionen bezieht und so die Reduktion auf den anatomischen Geschlechtsunterschied vermeidet. In dieser Sicht sind »Männlichkeit« und »Weiblichkeit« nicht starre Pole, vielmehr bewegliche Sphären, die sich berühren und kreuzen und komplexe Muster bilden: Dies impliziert auch, daß Mütter ebenso wie Väter für die Repräsentanz des Begehrens und der Freiheit stehen können.
Obwohl die Psychohistorie in letzter Zeit in Verruf geraten ist und sich innerhalb der Historikerzunft auf dem Rückzug befindet, kann man die scheinbar paradoxe Tatsache konstatieren, daß etwa die jüngeren Vertreter der französischen Annales-Schule, die von ihren Gründervätern als Historiographie der »longue durée« konzipiert worden war, sich in ihren Forschungen zunehmend von psychoanalytischen Theorien des Individuums inspirieren lassen. Der Autor hebt für die Erforschung konkreter historischer Identität zum einen die Bedeutung des Eliasschen Zivilisationsmodells hervor, zum andern die Explanationskraft der psychoanalytischen Objektbeziehungstheorie und der Bachtinschen Theorie der »dialogischen Imagination«. Zugleich weist er darauf hin, daß der Historiker auf der Suche nach der historischen Dimension von Charakter, Identität und Kultur eines Individuums stets seine subjektiven Reaktionen auf das von ihm bearbeitete Material zu beobachten habe – was Mitzman an einem Beispiel aus seiner eigenen Forschungspraxis anschaulich macht.
Historical Identity and the Identity of the Historian
Psychohistory has recently fallen into disrepute and now has few champions among historians themselves. However, the paradoxial fact remains that younger representatives of the French Annales school, conceived by its founder fathers as a historiography of »longue durée« have been increasingly inspired in their research work by psychoanalytic theories of the individual. In connection with the study of concrete historical identity, the author demonstrates the importance of Norbert Elias’ model of civilisation on the one hand, and the explanatory power of psychoanalytic object-relation theory and Bakhtin’s theory of »dialogic imagination« on the other. He also points out that in his search for the historical dimension of an individual’s character, identity and culture, the historian must always keep a close watch on his own subjective reactions to the material he is working on. Mitzman illustrates this with an example from his own research experience.
Bestell-Informationen
Service / Kontakt
Kontakt